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kann ich ihm das Heimweh nach dem Osten nachempfinden, das wie ein Moll-Leitmotiv der Sehnsucht durch seine Werke zittert – unverständlich für die, deren beste Jahre nicht jenseits Suez gelebt wurden.

Ich muß heute soviel an manche englische Beamte denken, die ich vor Jahren in Indien gekannt und dann pensioniert und gealtert in irgend einem Städtchen Englands wiedergesehen habe. Dort in Indien hatten sie viel räsonniert, über Klima, Natives und Silberkurs, aber trotz aller Klagen fühlten sie sich doch immer als Götter, wenn auch nur als Achtel-, Viertel- oder Halbgötter; und es waren doch, ohne daß sie es recht wußten, ihre glücklichsten Jahre gewesen, die sie dort verlebt – man ist ja meist glücklich, ohne es zu wissen, und merkt, daß man es war, daran, daß man aufhört es zu sein. In Bath oder Torquay, unter grauem Himmel, in engen Zimmern, mit einer ungeschickten, schlecht kochenden Mary Ann, der sie nie einen hindustanischen Fluch nachschmettern durften, umgeben von lauter Leuten, die nichts wußten von der Gottgleichheit, die jedem weißen Sahib in den Städten auf »abad« oder »epore« zu eigen ist, da verstanden die Armen es erst ganz, wie schön es einst gewesen; und das große Heimweh nach dem Osten schlich sich in ihre Herzen und nistete sich fest ein.

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Elisabeth von Heyking: Briefe, die ihn nicht erreichten. Verlag von Gebrüder Paetel, Berlin 1903, Seite 85. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Briefe_die_ihn_nicht_erreichten_Heyking_Elisabeth_von.djvu/86&oldid=- (Version vom 31.7.2018)