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21.
New York, Februar 1900.

Lieber Freund, meine letzte Wanderung im winterlichen New York ist mir recht schlecht bekommen. Ich bin seitdem krank gewesen an Husten und Fieber. Husten und Fieber sind ja nun schon seit Jahren die Meilensteine, die an meinem Lebensweg stehen. Schließlich wird solch Meilenstein zu einem Kreuzchen werden. Und wohin der Weg dann weiter geht und ob es überhaupt noch einen gibt, das weiß man nicht.

Es geht mir aber jetzt schon ein bißchen besser. Ich liege auf dem Sofa am Kamin. Die weiße tibetanische Ziegenfelldecke, die Sie kennen, ist über mich gebreitet. Ta geht mit bekümmertem Gesicht ein und aus. Ich weiß nicht, gilt seine Sorge mir, oder den vielen Briefen, die er in letzter Zeit von zu Hause erhalten hat.

Gestern schenkte mir mein Bruder ein paar Zweige weißen Treibhausflieders. In Seidenpapier wohl eingewickelt brachte er sie von draußen mit – so ein armer, winterlicher Flieder – all die Blütchen schienen zu frösteln und sich zu wundern, warum man sie gezwungen habe, sich so sehr zu beeilen, in diese unfreundliche Welt hinein zu kommen.

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Elisabeth von Heyking: Briefe, die ihn nicht erreichten. Verlag von Gebrüder Paetel, Berlin 1903, Seite 102. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Briefe_die_ihn_nicht_erreichten_Heyking_Elisabeth_von.djvu/103&oldid=- (Version vom 31.7.2018)