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 Längst verließ ich dich, graue Stadt,
 Wandre allein nun schweigend,
 Habe keinem mein Leiden geklagt,
 Nur in der einsamen Seele schrei’n
 Die schwarzen Vögel.


Wie so oft in Peking, war mir an jenem Tage, als sei die ganze Welt erstarrt in Angst, als harre sie atemlos, Unbekanntem, Unheimlichem. – Stadt des Leidens, Stadt des Verhängnisses habe ich Peking oft genannt – und doch liebe ich die graue, düstre Stadt. Ich habe jetzt oftmals ganz deutlich die Empfindung, als gehöre ich ihr, als hielte sie mich für ewig, so fern ich ihr auch räumlich bin.

Ich fürchte, ich bin wie alle Leute geworden, die in Peking gelebt haben und es nachher nicht mehr lassen können, immerwährend darüber zu reden oder zu schreiben.

Das ist die Rache, die China an den weißen Menschen nimmt dafür, daß sie beinahe alle doch nur deshalb hingehen, um ihm ein Stückchen seines Bodens oder sonst irgend einen Vorteil und Besitz abzuringen – schließlich sind sie es, die von China absorbiert werden.

Lassen Sie sich nicht zu sehr absorbieren, lieber Freund!



Empfohlene Zitierweise:
Elisabeth von Heyking: Briefe, die ihn nicht erreichten. Verlag von Gebrüder Paetel, Berlin 1903, Seite 101. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Briefe_die_ihn_nicht_erreichten_Heyking_Elisabeth_von.djvu/102&oldid=- (Version vom 31.7.2018)