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Dagegen möchte ich eine der weiblichen Gegenschriften der Beachtung empfehlen, weil sie in besonderem Sinne Wasser für meine Mühle liefert, nämlich das Buch von Oda Olberg (Das Weib und der Intellectualismus. Berlin – Bern 1902). Sie hat sehr viel gelehrte Sachen gelesen, hat eifrig darüber nachgedacht und spricht, im Gegensatze zu den anderen kämpfenden Damen, durchweg in einem anständigen Tone von mir. Sie hat meinen Gedankengang ganz richtig erfasst und begreift seine Stärke bis zu einem Punkte, wo die moderne Verwirrtheit sich ihrer bemächtigt, und das Verständniss erlischt. Es lohnt sich schon, der kenntnissreichen und geschickten Verfasserin etwas genauer zu antworten. Sie ist eine begeisterte Anhängerin nicht nur des Intellectualismus überhaupt, sondern gerade „des modernen Intellectualismus“, und „die modernen Ideen“ gelten ihr als unantastbare Dogmen. Das Kennzeichen jedes Intellectualismus ist die Ueberschätzung des Wissens einerseits, der menschlichen Willkür, und besonders der Erziehung, andererseits. Der moderne Intellectualismus aber bekommt seine eigene unangenehme Färbung dadurch, dass er auf der „mechanischen Weltansicht“ und der „Entwicklung im darwinistischen Sinne fusst. Die Modernen, und mit ihnen Oda, sehen in der mechanischen Weltansicht nicht irgend eine Hypothese, sondern die Grundlage ihres Denkens, und es ist daher begreiflich, dass sie die einzige Absicht, die es nach ihrer Meinung giebt, die des Menschen nämlich, für sehr wichtig halten. Ich aber glaube an eine Vorsehung, d. h. daran, dass eine geistige Macht alle Dinge bestimmten Zielen zuführe, und ich halte das für besser, weil es mir nicht nur förderlicher, sondern vor Allem besser begründet zu sein scheint. Für unser Thema ist der Darwinismus noch wichtiger. Die Intellectualistischen glauben einmal an eine unbegrenzte Entwicklung, zum andern an die Möglichkeit, die Art durch die von Darwin genannten Einwirkungen zu ändern. Es ist ja richtig, dass es in diesen allgemeinen Fragen nur Wahrscheinlichkeiten giebt, aber ihr Grad ist doch verschieden. Mir scheint die Annahme einer jetzt ebenso wie früher fortlaufenden Entwicklung des irdischen Reiches recht gering zu sein, und ich halte es für viel richtiger, anzunehmen, dass das ganze irdische Reich einem fertigen Menschen darin

Empfohlene Zitierweise:
Paul Julius Möbius: Über den physiologischen Schwachsinn des Weibes. 5. veränderte Auflage. Marhold , Halle a. S. 1903, Seite 6. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_%C3%9Cber_den_physiologischen_Schwachsinn_des_Weibes_(M%C3%B6bius).djvu/6&oldid=- (Version vom 31.7.2018)