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Heinrich Schreiber: Das Suggenthal. In: Das Karlsruher Unterhaltungsblatt. 3. Jg. 1830. S. 93-99

Der ehrwürdige Pfarrer aber eilte, als ob ihm der Boden unter den Füßen glühte, dem Sterbehäuschen zu, und verrichtete doch sein sonst trauriges aber hier erhebendes Geschäft. Denn es erhebt wahrlich nichts mehr, als den müden alten Mann von der Erde zufrieden Abschied nehmen und die Verklärung eines bessern Jenseits über seinem Gesichte schweben zu sehen. Dann eilte der Pfarrer wieder nach Hause, aber den weiten Weg über das Gebirg, um ja nicht mehr den Taumelnden im Thale zum Anstoß zu werden. Der alte Mann aber schien eine Zeit lang ruhig zu schlummern und die Kinder knieten mit gefalteten Händen neben seinem Strohlager, da schlug er unerwartet die Augen wieder auf und befahl dem Sohne, am Fenster zu sehen, was wohl für Wetter sey. Der Sohn kehrte mit der Antwort zurück, es sey der schönste wolkenlose Abend und die Sonne neige sich allmählig dem Untergange zu. Da schloß der Vater die müden Augen wieder, aber nur um sie nach einiger Zeit neuerdings aufzuschlagen und dieselbe Frage wie früher zu stellen. Dieselbe Antwort erfolgte, jedoch mit dem Zusatze, es fange an dünstiger zu werden, und es könnte vielleicht diesen Abend noch zu einem Gewitter kommen. Eine neue Pause des Stillschweigens erfolgte, als der Vater nochmals und weit dringender als bisher nach dem Wetter fragte, und die Antwort des Sohnes nun dahin ausfiel, es sammle sich ein kleines Gewölke um das Haupt des Kaiserstuhles, und scheine sich herüber gegen das Gebirg zu ziehen. Da befahl der Vater seinen Kindern, ihm jetzt unbedingt zu folgen und schnell die Hütte zu verlassen, weil es in Kurzem nicht mehr möglich seyn würde. Die Kinder aber, obschon sie die Gefahr nicht einsahen, denn sie hatten schon manches herbe Gewitter in ihrem Thälchen erlebt, schnürten doch die wenigen Habseligkeiten in einen Bündel zusammen und machten sich zum Abzuge bereit. Jeden Augenblick wurde der Vater dringender und sogar, was er sonst nie gewesen war, gebieterisch; bis ihn endlich der Sohn, obgleich gegen vieles Widerstreben, mit dem geringen Bettzeug auf die Schultern lud, und die Tochter mit dem Bündel Hausrath vor ihnen her ging. Auch einige Ziegen und ein alter Hund, die einzigen Schicksalsgenossen der armen Familie, folgten ihnen wie von höherer Hand herbeigeführt. Als sie aber im Freien waren, änderte sich plötzlich der ganze Anblick. Blutroth

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Heinrich Schreiber: Das Suggenthal. In: Das Karlsruher Unterhaltungsblatt. 3. Jg. 1830. S. 93-99. Müller, Karlsruhe 1830, Seite 98. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Das_Suggenthal.djvu/6&oldid=- (Version vom 31.7.2018)