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David wegen der Plage[1], Salomo für die, die am Heiligtume [beten][2], 109 Elias für die, die den Regen empfingen[3], und für den Toten, daß er lebe[4], 110 Hiskia für das Volk in den Tagen Sanheribs[5] und viele andere für viele? 111 Wenn also jetzt, da die Verderbnis gewachsen und der Ungerechtigkeit viel geworden ist, Gerechte für Sünder gebetet haben, warum kann das nicht auch dann geschehen? — 112 Er antwortete mir und sprach: Die gegenwärtige Welt ist nicht das Ende, ihre[6] Herrlichkeit bleibt ’nicht‘ beständig[7]; deshalb haben Starke für Schwache beten dürfen. 113 Der Tag des Gerichts aber ist das Ende dieser Welt und ’der Anfang‘ der kommenden ewigen Welt; darinnen ist

die Verderbnis vorüber,
114 die Zuchtlosigkeit ausgetrieben,
der Unglaube vertilgt[8];
die Gerechtigkeit aber erwachsen
und die Wahrheit entsprossen.

115 Dann also wird sich niemand dessen erbarmen dürfen, der im Gericht unterlegen ist[9], noch den stürzen[10] können, der dann obgesiegt hat.

Was nützt den Sündern die Verheißung? Aber sie haben ihr Geschick verdient.

116 Ich antwortete und sprach: Dies bleibt mein erstes und letztes Wort[11]: Besser wäre es, die Erde hätte Adam nie hervorgebracht, oder sie hätte ihn wenigstens von der Sünde ferngehalten. 117 Denn was hilft es uns allen, daß wir jetzt in Trübsal leben müssen und nach dem Tode noch auf Strafe zu warten haben? 118 Ach Adam, was hast du gethan! Als du sündigtest, kam dein Fall nicht nur auf dich, sondern auch auf uns, deine Nachkommen! 119 Denn was hilft es uns[12], daß uns die Ewigkeit versprochen ist, wenn wir Werke des Todes[13] gethan haben? 120 daß uns eine unvergängliche Hoffnung[14] verheißen ist, wenn wir so traurig der Eitelkeit verfallen sind? 121 daß uns Stätten voll Genesung und Frieden bereitet sind, wenn wir im Elend dahingegangen sind? 122 daß einst des Höchsten Herrlichkeit die beschirmen soll, die sich rein erhalten haben[15], wenn wir auf schändlichen Wegen gewandelt haben? 123 daß das Paradies erscheinen soll, dessen Früchte ewig bleiben, die[16] Sättigung und Heilung[17] verleihen, 124 wenn wir doch niemals hineinkommen, weil wir an scheußlichen[18] Orten verweilt haben? 125 daß das Antlitz der Reinen[19] heller als Sonnenglanz strahlen wird, wenn unser eigenes Antlitz finsterer sein wird als die Nacht[20]? 126 Denn ach, wir haben im Leben, da wir Sünde thaten, der Leiden nicht gedacht, die uns nach dem Tode bevorstehen!

127 Er antwortete und sprach: Das ist der Sinn des Kampfes, den[21] jeder kämpfen muß, der auf Erden als Mensch geboren ist, 128 daß er, wenn besiegt, zu leiden


  1. confractio = θραῦσις 2 Sam. 24,15. θραῦσις = מַגֵּפָה‎. Dem Sinne nach richtig Aeth pro pestilentia; 2 Sam. 24,17.
  2. 1 Kön. 8,22ff.30ff. Lat A in sanctificationem = מׅקְדָּשׁ. Vgl. Amos 7,9; vgl. Rönsch S. 77.
  3. 1 Kön. 18,42.
  4. 1 Kön. 17,20f.
  5. 2 Kön. 19,15ff.
  6. So Ar¹; nach Syr Aeth: Gottes Herrlichkeit bleibt darin nicht beständig.
  7. Syr non constanter manet.
  8. Etwa נׅכְרַת.
  9. ἡττήθη schuldig gesprochen ist.
  10. Zum Ausdruck vgl. Ap. Bar. 14,7.
  11. Vgl. 7,63.
  12. Ähnlich Ap. Sedrach 7.
  13. νεκρὰ ἔργα Hebr. 6,1.
  14. ἐλπὶς ζῶσα 1 Petr. 1,3.
  15. Jes. 4,4.5ff.
  16. in quo ist (gegen die anderen Versionen) auf fructus zu beziehen, vgl. Hes. 47,12. καρπὸς = פְּרׅי ist Kollektivum.
  17. Sättigung und Heilung vgl. Hes. 47,12. Offenb. Joh. 22,2.
  18. ἀχάριστος; vgl. Weish. 5,7.
  19. abstinentiam habere = ἐγκρατεύεσθαι Hilg.
  20. Die Erwartung, daß die Sünder in Nacht und Finsternis gequält werden sollen, geht neben der anderen her, daß die Hölle voll Feuers ist. Nach genauerer Tradition giebt es mehrere Straforte mit verschiedenen Arten von Qualen.
  21. quem bezieht sich auf ἀγῶνος = certaminis.
Empfohlene Zitierweise:
Hermann Gunkel (Übersetzer): Das vierte Buch Esra. Mohr Siebeck, Tübingen 1900, Seite 377. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:DasVierteBuchEsraGermanGunkelKautzsch2.djvu/47&oldid=- (Version vom 30.6.2018)