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aber ohne große Anstrengung gesungen wird. Dies ist ohne Zweifel der Schlüssel zu dem Geheimnis, warum ein Lied so oft durch Transposition aus einer Tonart in die andere seine Wirkung verliert. Es zeigt sich hieraus, daß die Wirkung nicht bloß von den wirklichen Klängen selbst, sondern zum Theil auch von der Natur der Thätigkeit abhängt, welche die Klänge hervorbringt. Es ist in der That offenbar, daß, sobald wir fühlen, der ,Ausdruck‘ eines Gesanges sei eine Folge seiner schnelleren oder langsameren Bewegung, der Ruhe seines Flusses, der Lautheit seiner Äußerung u. s. w., wir in der That die Muskelthätigkeit, welche den Klang hervorbringt, in derselben Weise beurtheilen, wie wir die Muskelthätigkeit überhaupt beurtheilen. Dies läßt aber die feinere und specifischere Wirkung, welche wir den musikalischen Ausdruck des Gesanges nennen, — das durch seine Melodie oder selbst durch die einzelnen die Melodie erst zusammensetzenden Töne hervorgerufene Entzücken, unerklärt. Es ist dies eine Wirkung, welche von der Sprache nicht definirt werden kann, welche auch, so viel ich weiß, Niemand zu analysiren im Stande gewesen ist, und welche die geistvolle Speculation Herbert Spencer's über den Ursprung der Musik vollkommen unerklärt läßt. Denn es ist ganz sicher, daß die melodische Wirkung einer Reihe von Tönen nicht im Allergeringsten von ihrer Stärke oder ihrer Schwäche, noch von ihrer absoluten Höhe abhängt. Eine Melodie bleibt immer dieselbe, mag sie nun laut oder schwach, von einem Kinde oder einem Erwachsenen gesungen, mag sie nun auf einer Flöte oder auf einer Posaune gespielt werden. Die rein musikalische Wirkung irgend eines Tones hängt von seiner Stellung in dem ab, was man technisch die Tonleiter nennt; ein und derselbe Ton bringt hienach absolut verschiedene Wirkungen auf das Ohr hervor, je nachdem er in Verbindung mit der einen oder einer andern Reihe von Tönen gehört wird.“

„Es ist also diese relative Association von Tönen das Moment, von dem alle die wesentlich characteristischen Wirkungen abhängen, welche man unter der Bezeichnung ,musikalischer Ausdruck' zusammenfaßt. Warum aber gewisse Associationen von Tönen gerade die und die, andre jene Wirkungen haben, ist ein Problem, welches noch immer zu lösen bleibt. Allerdings müssen diese Wirkungen auf die eine oder die andere Weise mit den arithmetischen Verhältnissen zwischen den Schwingungszahlen der Töne, welche eine musikakische


Empfohlene Zitierweise:
Charles Darwin: Der Ausdruck der Gemüthsbewegungen bei dem Menschen und den Thieren. E. Schweizerbart'sche Verlagshandlung (E. Koch), Stuttgart 1877, Seite 82. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:DarwinAusdruck.djvu/88&oldid=- (Version vom 31.7.2018)