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Personen unterscheiden. In einem und demselben Käfig zusammengehaltene Cobras scheinen eine gewisse Anhänglichkeit für einander zu fühlen.[1]

Es scheint indessen daraus, dass die Schlangen ein gewisses Vermögen der Ueberlegung, lebendige Leidenschaften und gegenseitige Anhänglichkeit besitzen, nicht zu folgen, dass sie auch mit hinreichendem Geschmacke begabt sein sollten, brillante Färbungen bei ihren Genossen in einer Weise zu bewundern, dass hierdurch die Species mittelst geschlechtlicher Zuchtwahl verschönt worden sein könnte. Trotzdem ist es schwierig, auf irgend eine andere Weise die ausserordentliche Schönheit gewisser Species zu erklären, z. B. die der Corallenschlangen von America, welche intensiv roth sind mit schwarzen und gelben Querbändern. Ich erinnere mich noch sehr wohl, wie überrascht ich war, als ich die Schönheit der ersten Corallenschlange vor mir hatte, welche ich quer über einen Pfad in Brasilien gleiten sah. Schlangen, in dieser eigenthümlichen Weise gefärbt, werden, wie Mr. Wallace auf die Autorität von Dr. Günther gestützt angibt,[2] nirgends anders auf der ganzen Erde als in Südamerica gefunden, und hier kommen nicht weniger als vier Gattungen vor. Eine von diesen ist giftig (Elaps), eine zweite und weit davon verschiedene Gattung ist zweifelhaft giftig und die beiden andern sind vollständig harmlos. Die zu diesen verschiedenen Gattungen gehörigen Arten bewohnen dieselben Bezirke und sind einander so ähnlich, dass Niemand „als ein Naturforscher die harmlosen von den giftigen Arten unterscheiden kann". Es haben daher, wie Mr. Wallace glaubt, die unschädlichen Arten ihre Farben als ein Schutzmittel nach dem Principe der Nachäffung erhalten, denn ihre Feinde werden sie dieses Umstandes wegen für gefährlich halten. Indessen bleibt die Ursache der glänzenden Farben der giftigen Elaps hiernach unerklärt; man könnte sie vielleicht aus geschlechtlicher Zuchtwahl erklären.

Schlangen bringen noch andere Laute ausser dem Zischen hervor. Die tödtliche Echis carinata hat an ihren Seiten einige schräge Reihen von Schuppen einer eigenthümlichen Structur mit gesägten Rändern. Wenn diese Schlange gereizt wird, werden diese Schuppen gegen einander gerieben, was „einen merkwürdigen, ausgezogenen,


  1. Dr. Günther, Reptiles of British India, 1864, p. 340.
  2. Westminster Review, 1. July, 1867, p. 32.
Empfohlene Zitierweise:
Charles Darwin: Die Abstammung des Menschen und die geschlechtliche Zuchtwahl, II. Band. E. Schweizerbart'sche Verlagshandlung (E. Koch), Stuttgart 1875, Seite 28. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:DarwinAbstammungMensch2.djvu/42&oldid=- (Version vom 31.7.2018)