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um zu sehen, wie weit sich die allgemeinen Schlussfolgerungen, zu denen ich in meinen früheren Schriften gekommen war, auf den Menschen anwenden lassen. Dies schien um so wünschenswerther, als ich diese Ansichten noch niemals ausdrücklich auf eine Art einzeln genommen angewendet hatte. Wenn wir unsere Aufmerksamkeit auf irgend eine Form beschränken, so entbehren wir die gewichtigen Beweismittel, die aus der Natur der Verwandtschaft, welche grosse Gruppen von Organismen unter einander verbindet, aus ihrer geographischen Verbreitung in der Gegenwart und in vergangenen Zeiten und aus ihrer geologischen Aufeinanderfolge fliessen. Es müssen dann ferner noch die homologen Bildungen, die embryonale Entwickelung und die rudimentären Organe einer Art, mag dies nun der Mensch oder irgend ein anderes Thier, auf welches sich unsere Aufmerksamkeit richtet, sein, noch betrachtet werden; und diese grossen Classen von Thatsachen bieten gerade, wie es mir scheint, umfassende und endgültige Zeugnisse zu Gunsten des Princips einer stufenweisen Entwickelung dar. Indessen sollte man die kräftige Unterstützung durch die andern Argumente deshalb doch immer vor Augen halten.

Die einzige Aufgabe dieses Werks ist, zu untersuchen, erstens, ob der Mensch, wie jede andere Species, von irgend einer früher existirenden Form abstammt, zweitens, die Art seiner Entwickelung, und drittens, den Werth der Verschiedenheiten zwischen den sogenannten Menschenrassen. Da ich mich auf diese Punkte beschränken werde, so wird es nicht nothwendig sein, im Einzelnen die Verschiedenheiten zwischen den verschiedenen Rassen zu beschreiben; es ist dies ein äusserst umfangreicher Gegenstand, welcher in vielen werthvollen Werken ausführlich erörtert worden ist. Das hohe Alter des Menschen ist in der neueren Zeit durch die Bemühungen einer Menge ausgezeichneter Männer nachgewiesen worden, zuerst von Boucher de Perthes; und dies ist die unentbehrliche Grundlage zum Verständniss seines Ursprungs. Ich werde daher diesen Beweis für erbracht annehmen und darf wohl meine Leser auf die vorzüglichen Schriften von Sir Charles Lyell, Sir John Lubbock und Anderen verweisen. Auch werde ich kaum Veranlassung haben, mehr zu thun, als auf die Grösse der Verschiedenheiten zwischen dem Menschen und den anthropomorphen Affen hinzuweisen; denn nach der Ansicht der competentesten Beurtheiler hat Professor Huxley überzeugend nachgewiesen, dass der Mensch in jedem einzelnen sichtbaren Merkmale weniger von den höheren Affen abweicht, als diese von den niederen Gliedern derselben Ordnung, der Primaten, abweichen.

Das vorliegende Werk enthält kaum irgend welche originelle Thatsachen in Bezug auf den Menschen: da aber die Folgerungen, zu welchen

Empfohlene Zitierweise:
Charles Darwin: Die Abstammung des Menschen und die geschlechtliche Zuchtwahl, I. Band. E. Schweizerbart'sche Verlagshandlung (E. Koch), Stuttgart 1878, Seite 2. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:DarwinAbstammungMensch1.djvu/16&oldid=- (Version vom 31.7.2018)