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erhellt aus den dargebotenen Ablässen, deren Erlangung im Allgemeinen den Empfang der heiligen Sacramente voraussetzte. Sehr wichtig sind deßhalb die Aufzeichnungen, welche in der Baurechnung von 1487 enthalten sind und die bis in’s Einzelne zeigen, wie die Seelsorge bei solchen Festen verwaltet wurde.

     Der Fabrikmeister verzeichnet zuerst, daß ein Eilbote (cursor) mit einem Auszug aus der neuen römischen Ablaßbulle (minuta bullae) in Xanten eintraf und zum Lohne etwas mehr als 2 Xantener Mark erhielt. Der Bote, welcher bald nachher das Original der Bulle brachte, bekam dagegen an 8 Mark. Nun gingen Kapitelsboten aus von Xanten zu den Franciscanerklöstern von Mecheln, Emmerich und Cleve, zu den Karmelitern in Mörs und zu den Predigerherren oder Dominicanern von Kalkar, Nymwegen und Utrecht, um von ihnen Beichtväter, Prediger und Priester zu erbitten, welche die Reliquien zeigen sollten. So reiste Herr Wessel Hotman nach Kalkar zum Magister Oldanus aus dem Predigerorden, „damit er sich gütigst vorbereiten möge, während der Tage der Ablässe das Wort Gottes von der Kanzel aus zu verkünden“.

     Vor der Stadt waren am Abhange des Fürstenberges drei Kanzeln erbaut, auf denen Magister Oldanus, der Frater Heinrich von Kempen, Guardian des Minoritenklosters zu Mecheln, und der Minorit Wilhelm von Cleve das Volk über die Bedeutung der Festfeier und der Ablässe unterrichteten. Am Feste der Enthauptung des hl. Johannes des Täufers ging der Guardian von Emmerich mit seinen Genossen nach Wesel, um dort nach der Predigt die Ablässe von der Kanzel zu publiciren (ad publicandum indulgentias post sermonem de ambone).

     Zwei Predigermönche von Kalkar, Johann von Bentheim und sein Genosse, übernahmen den Auftrag, die Ablässe in Holland und Friesland bekannt zu machen, wofür das Kapitel ihnen 20 Mark Reisegeld bewilligte.

     In Xanten wurden die Priester auf Kosten des Fabrikmeisters verpflegt und eingemiethet. Einige blieben über 16 Tage. In einem Hause waren nicht weniger als neun Beichtväter untergebracht. Beweis genug, wie ernst man es mit der Gewinnung der Ablässe nahm. Magister Oldanus wurde 12 Tage und der Minorit Wilhelm von Cleve 10 Tage beim Fabrikmeister Gerard von Goch beköstigt (hospitati sunt), schliefen aber beim Herrn Johann van der Speet (receperunt humanitatem videlicet nocturnam quietem).

     Sind diese Nachrichten für die Geschichte der Ablässe gegen Ende des 15. Jahrhunderts sehr bemerkenswerth, so bietet dieselbe Rechnung von 1487 einige bedeutungsvolle Notizen zur Geschichte der eben neu erfundenen Buchdruckerkunst. Während nämlich bei der vorhergehenden Victortracht von 1464 der Secretär des Dechanten 40 Copien der Einladungsbriefe für fast 1½ Mark schrieb und der Schullehrer 107 für 3 1/4 Mark, und noch 1487 dem Schullehrer für 11 Abschriften fast 1/3 Mark gezahlt wurde, kosteten in dem zuletzt genannten Jahre 3000 gedruckte Ausschreiben, die von Köln kamen, nur wenig mehr als 21½ Mark. Während also ein geschriebenes Exemplar 1464 und 1487 mit 4–5 Denaren bezahlt wurde, kam ein gedrucktes nur auf etwas

Empfohlene Zitierweise:
Stephan Beissel: Die Victortracht des Jahres 1464 In: Die Bauführung des Mittelalters. Studie über die Kirche des hl. Victor zu Xanten. Freiburg im Breisgau: Herder, 1889, Seite 69. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Beissel_%E2%80%93_Die_Victortracht_des_Jahres_1464.djvu/21&oldid=- (Version vom 31.7.2018)