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Nun giebt man vor, dieser Kranke sey verhexet, die Commissarien aber haben ihn examinirt und an ihm wahrgenommen, daß er an einer schweren, doch ganz natürlichen Krankheit, nämlich an der Colica Pictonum krank liege, welche den Kranken an allen Gliedern contract, und zusammen gezogen oder gerumfet macht. Wir sind wirklich beschäftiget im hiesigen Burgerspital einen solchen Kranken zu kuriren.

Ein andersmal soll sie den Tag vorgesagt haben, an dem ein Kranker sollte gesund werden. Diese sind die Beweise, daß sie eine Hexe gewesen. Es hat das Ansehen, das man bey ihrer Lebenszeit diesen Beweis nicht für gültig oder hinlänglich gehalten, dann sie hat die heiligen Sacramenten empfangen; sie ist im Schooße der Kirche gestorben. Sie ist mit christlichen Ceremonien ins Grab eingeweihet worden: und 18. Monate nach ihrem Tode, muß sie eine verbrennenswürdige Hexe seyn.

Auf solchen Gründen ist die ganze Geschichte gebauet, und man hat Laster auf Laster gehäufet, so gar (darf ich es sagen) Sacrilega begangen.

Man hat die Frey- und Sicherheit (Asylum) und die Ruhestätte des Grabes verletzt; man hat den guten Namen der Abgestorbenen, und ihrer Familien geschändet, welche ein gleiches Schicksal zu gewarten hätten; wenn solche Misbräuche nicht abgeschaft mürden. Man hat die todten Leiber unschuldiger Kinder, derer Seelen die ewige Glückseligkeit genüssen, dem Henker übergeben. Man hat die Söhne gezwungen (entsetzliche Sache) die Leiber ihrer Mutter dem Henker vorzuschleppen. So gar die Kreuze selbst (ein Zeichen, eine Erinnerung unserer Erlösung, die bey der Kirche so verehrungswürdig ist) die Kreuze, sage ich, sind nicht besser verurtheilet worden. Man hat sie schändlich und nur deßwegen verbrennet, weil sie auf den Gräbern dieser unglückseligen Schlachtopfer der Ignoranz, und des Aberglaubens gestanden sind.

Empfohlene Zitierweise:
Gerard van Swieten: Vampyrismus von Herrn Baron Gerhard van Swieten verfasset, aus dem Französischen ins Deutsche übersetzet, und als ein Anhang der Abhandlung des Daseyns der Gespenster beigerücket. In: Abhandlung des Daseyns der Gespenster, nebst einem Anhange vom Vampyrismus (Andreas Ulrich Mayer), Augsburg 1768, Seite 20. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Abhandlung_des_Daseyns_der_Gespenster.djvu/197&oldid=- (Version vom 31.7.2018)