Die megarische Komödie

Textdaten
Autor: Ulrich von Wilamowitz-Moellendorff
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Titel: Die megarische Komödie
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aus: Hermes. Zeitschrift für classische Philologie, Band 9, Heft 3, S. 319–341
Herausgeber: Emil Hübner
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Erscheinungsdatum: 1875
Verlag: Weidmannsche Buchhandlung
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Erscheinungsort: Berlin
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Quelle: DigiZeitschriften, Kopie des Scans auf Commons
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[319]
DIE MEGARISCHE KOMÖDIE.

Die in ihrer Bodenbeschaffenheit wesentlich gleichartige Nordküste des Saronischen Meerbusens enthält nur drei Punkte, welche in mitten einer zur Baumzucht und theilweis zum Ackerbau geeigneten Ebene, mit dem Meere durch gute Hafen verbunden, von einander durch Berge resp. Hügelketten geschieden zur städtischen Niederlassung, zum Mittelpunkte einer staatlichen Bildung passend sind: Athen, Eleusis, Megara. An allen drei Orten ist eine solche einmal vorhanden gewesen. Allein die Natur hat in der unwirthlichen seltsam zerrissenen Felseninsel Salamis einen und denselben Riegel vor alle drei Häfen geschoben, so dass, wer von den drei Rivalen Salamis besitzt, den anderen das Meer sperrt: das Meer, das ist das Leben. Wir glauben zwar durch das Dunkel der Sage eine Zeit zu erkennen, wo Salamis selbst das Centrum für das dreifach getheilte Hinterland war, wo dort ein übers Meer gekommener den Hintersassen des Festlandes fremder Stamm saß, der andere Götter verehrte, andere Heroen seine Ahnen nannte, aber darum noch lange kein phoenikischer war. Doch jenes schauen wir nur durch einen Spiegel in einem dunkelen Wort: geschichtlich wirksam bewährt sich diese Bedeutsamkeit der Insel, als im sechsten Jahrhundert v. Chr. ein Schiedsgericht lakedaimonischer Männer Athen den Besitz von Salamis definitiv zuerkennt, um welchen dies vierzig Jahre lang hart aber mit immer steigendem Erfolge gegen die Megarer gestritten. Von diesem Zeitpunkte steigt der Stern Athens jäh und unaufhaltsam bis in den Zenith seiner Macht: Megaras Stern sinkt nicht, er verlischt; es ist seitdem οὔτ’ ἐν λόγῳ οὔτ’ ἐν ἀριθμῷ. Doch die Geschichte thut Unrecht zu vergessen, dass vor dem eine Zeit war, wo der seefahrende Städte gründende Megarer inmitten seines regen politischen Lebens mit ähnlicher Verachtung auf den der See abgekehrten [320] Bauern herabblicken konnte, der in dem Nachbarlande unter einem starren Adelsregimente verkam. Was war denn Athen gewesen, da Megaras Bürger am Bosporos wie in Sicilien die blühendsten Pflanzstädte gründeten? Nun war mit Salamis jede Möglichkeit einer maritimen Politik dahin. Und Athen mag schon als Peisistratos Nisaia vorübergebend besetzte, den Gedanken einer Annexion des gesammten Megarischen Gebietes ins Auge gefasst haben. Denn es ward von der Natur auf solche Pläne hingewiesen. Nicht ohne schweren Kampf hatte einst Athen, d. h. die Akte, die Kephisosebene sich das thriasische Gefilde mit Eleusis erobert; nicht nur die Sage bewahrt des Kunde, eine gewisse Ausnahmestellung ist Eleusis, der einzigen πόλις ausser Athen in Attika, dauernd verblieben[1]. Eleusis nun war nicht durch natürliche Grenzen von Megara geschieden (die Kerata, die die Wasserscheide bilden, reichen dazu nicht aus); heiliges Land, die ὀργάς, war die Grenze; bekanntlich eine Bezeichnung, die lediglich dazu gut war, jederzeit einen casus belli bereit zu haben. Athen hatte ferner, wohl in etwas späterer Zeit als das Gros des eleusinischen Gebietes, mit der Festung Eleutherai den einzigen fahrbaren Pass zwischen Kithairon und Parnes in seine Hand gebracht, das hieß die Communication zwischen Nordgriechenland und dem Peloponnes beherrschen; aber der Besitz war ein halber, so lange aus megarischem Gebiete gangbare wenn auch beschwerliche Pfade über den Kamm des Kithairon führten[2]. Wie viel Athen an diesem Besitze lag, das beweist am besten, dass es vom Tyrannenjoche eben frei [321] und im Stande seiner natürlichen Politik wieder nachzugehen nach dem glänzenden Siege über die Boioter und Chalkidier die auf boiotischer Seite gelegene Festung Hysiai annectirte: diese sperrte wenigstens die große thebanische Straße dem, der den megarischen Pass benutzte. Plataiai nahm Athen nicht in seinen Staatsverband auf: es kannte seine Grenzen. Als dann der Sturm der persischen Invasion verbraust war, durch den delischen Bund die Hegemonie zur See gegründet, da nahm Athen seine vorthemistokleische Continentalpolitik wieder auf, und zunächst gegen Megara. Die dortigen Demokraten unterstützten seine Pläne, ohne Widerstand ward das Land in Besitz genommen, Schenkelmauern verbanden die Stadt mit der athenischen Zwingburg Nisaia, und der attische Landsturm schlug die Korinthier, die interveniren wollten, empfindlich hinaus. Die Annexion schien gesichert. Allein in dem schweren Frieden von 445 ging alles ebenso rasch verloren; die Megarer hatten sich zuerst erhoben. Aber je leichter der Gewinn, je schneller der Verlust gewesen war, desto stärker war der Hass gegen den verachteten und doch so lästigen Nachbar, desto lebhafter war die Begier, die Scharte auszuwetzen und wenigstens diesen nächsten und exponirtesten Posten des verhassten Dorerthums zu vernichten. Die gewollte Verwickelung fand sich leicht: das megarische Psephisma, das ein Hauptanlass zum archidamischen Kriege ward, hat eine traurige Berühmtheit. Nun verwüstete alljährlich ein attisches Heer das megarische Gebiet, attische Schiffe beherrschten völlig den saronischen Busen, vorübergehend gelang sogar die Occupation von Nisaia. Allein Delion und Amphipolis machten allen diesen Plänen ein Ende; auch hatte der Demos wie seine Lenker weder Lust noch Fähigkeit für nächstliegende oder überhaupt für realisirbare Aufgaben übrig. So war die Existenz des megarischen Staates gerettet; freilich war er immer armselig, lehnte sich bald an den bald an jenen Beschützer, ja ward eine Zeit lang sowohl der boiotischen als auch der achaiischen Eidgenossenschaft incorporirt: Athen blieb er dauernd entfremdet. Noch im zweiten Jahrhundert nach Christo, wo doch bei gleicher Elendigkeit von keinem wahren Gegensatze geredet werden konnte, hören wir von kleinlichen und wohl etwas antiquarisch gesuchten Rancunen[3].

[322] Diesem Hass nun nachzugehen erfordert die Aufgabe, die ich mir gestellt; doch ehe ich es kann, muss ich die gegebene Darstellung der megarischen Geschichte rechtfertigen, denn sie weicht von den mir bekannten antiken wie modernen Behandlungen wesentlich ab[4]. Ich zerstöre gern die Gleichförmigkeit dieses Aufsatzes: denn ohne das Hineinziehen von Dingen, die der eigentlichen Frage fern liegen, wollte es mir doch nicht gelingen, die an sich einfache Antwort zu begründen.

Ich habe von attischen Annexionsgelüsten gesprochen, schon bei der Erwerbung von Salamis. Wie ist das möglich? Verfocht nicht Perikles, da er Megara erobern wollte, ein altheiliges Recht? Wollte er nicht dem Erbfeind eine geraubte Provinz wieder abnehmen? Hatte denn nicht König Theseus, nachdem er den Landweg über den Isthmos gereinigt und unter anderen auch den greulichen Unhold Skeiron vom Felsen gestürzt, noch jenseits der krommyonischen Niederung einen Grenzstein aufgestellt, der urkundlich bezeugte, dass von da ionisches Gebiet begänne? Hatte nicht schon König Pandion bei seinem Abscheiden dem Nisos seinem Sohne die Herrschaft über Megara und Eleusis vermacht? Hatte nicht König Menestheus die Megarer vor Ilios commandirt? Waren es nicht erst die Dorer gewesen, die an Athens Eroberung durch den Opfertod des Königs Kodros verhindert, die altionische Landschaft geraubt und dorisirt, ja schließlich, wenn auch nur vorübergehend, gar die Insel Salamis, die doch Prinz Philaios dem attischen Demos vermacht, an sich gerissen hatten? Ja wohl; das ist alles so gut bezeugt, wie nur irgend zu wünschen, das hat alles in der attischen Chronik gestanden; ja, ich zweifle nicht, dass die braven Athener all das fest geglaubt haben, als sie für Perikles’ und Charinos’ Psephismata stimmten. Aber ob der Glaube der Athener des fünften Jahrhunderts für unsere Anschauung der Verhältnisse des achten und zehnten maßgebend ist, das ist eine andere Frage. Die römische Chronik ist voll von Thaten und Reden der Consuln und Tribune des vierten Jahrhunderts der Stadt, die den Optimaten und Populären des siebenten die schlagendsten Exempla bieten; die Scipionenprocesse geben ein Bild, das, wie ein Typus im alten Testament eine Heilswahrheit des neuen, die [323] Wirren widerspiegelt, an denen wenig über hundert Jahre später das römische Volk krankt: in der römischen Geschichte ist man die Naivetät längst los, diese Wunder zu glauben; in der griechischen spuken sie noch. Aber die tendenziöse Geschichtsfabrication ist wahrlich nicht von Antias und Macer erfunden, und wo vollends die Sage mit hineinspielt, da ist ja das unbegrenzte Gebiet der unbewussten Entstellung eröffnet. Methodisch darf nur so geschlossen werden: die Geschichte vom Grenzstein am Isthmos kann nur entstanden sein, entweder als Ionien bis dahin reichte: da ist sie nicht entstanden, da existirte König Theseus überhaupt noch eben so wenig wie ein beschriebener Grenzstein oder gar ein Iambus; oder aber als man wünschte, dass Ionien bis dahin reichte: das ist eben nur in der bezeichneten Epoche der Fall. Man suchte und fand in der Sage die Begründung für den Anspruch, den man erheben wollte. Aber Nisos, der Eponymos von Nisaia, von dem doch die schöne voraischyleische Geschichte der Skylla erzählt, ist doch keine Fiction. Gewiss nicht; aber wohl Nisos des Pandion Sohn; weder Ovidius, wo er die Geschichte der Skylla erzählt noch der Dichter der Ciris kennen diese Genealogie, und hier sind wir durch Strabons Fleiß so glücklich, den Urheber der in attischem Interesse ersonnenen Annexion des fremden Landesheros zu kennen: es ist Sophokles[5]. Hier, wo wir unmittelbar in den perikleischen Kreis eingeführt werden, könnte man sich sogar versucht fühlen, an bestimmte Tendenz zu denken. Die Geschichte, dass die Megarer Athen die Insel Salamis entrissen hätten, ist eine Fabel, die die Neuern sich hätten hüten sollen noch bestimmter als die Alten aufzutischen. Unanfechtbar ist die Thatsache, dass vielmehr Salamis erst spät rechtlich in das attische Gebiet aufgegangen ist; das fünfte Jahrhundert kennt keinen Demos Salamis. Die archäologische Weisheit, die die Athener vor dem Schiedsgericht ausgekramt haben wollen, vielleicht auch ausgekramt haben, wird auch weder die Richter noch die Megarer bestimmt haben: es war [324] ein sehr annehmbarer Frieden, den die Lakedaimonier vermittelten. Athen gab Nisaia zurück, Megara verzichtete dafür auf Salamis. Es ist aber an sich eine Unmöglichkeit, dass die Dorer eine ionische Bevölkerung in der Megaris fanden: hätte sich die es gefallen lassen, dass die Dorer sie Δωριέας ἀντὶ Ἰώνων ἐποίησαν (Strabon)? sind Ioner denkbar die ἔθη καὶ φωνὴν μεταβαλόντες Δωριεῖς ἀντὶ Ἰώνων ἐγένοντο (Pausanias)? Man vergleiche z. Β. Sikyon. Von einem Gegensatze der Stämme innerhalb der Megaris ist bei all den unaufhörlichen Parteikämpfen nie die Rede. Da ist es denn artig, wie vorsichtig ein anderes Glied des perikleischen Kreises, Herodotos V 76 eine Combination wagt, die in die angebliche Geschichte Zusammenhang bringen soll. Er zählt die Einfälle der Dorer in Attica auf πρῶτον μὲν ὅτε καὶ Μέγαρα κατοίκισαν. οὗτος ὁ στόλος ἐπὶ Κόδρου βασιλεύοντος ὀρθῶς ἂν καλέοιτο. Das ist die attische Ueberlieferung: ihr ist man gefolgt; es existirt aber auch eine megarische, die doch wohl die nämliche Berücksichtigung verdient. Sie kennt keine ionische Vorzeit[6]. Sie lässt, bevor die Dorer das Land in Besitz nehmen, das Volk karisch-lelegisch sein[7], die Fürsten theils den Aiakiden [325] von Salamis verwandt, theils selbst Aiakiden. Das hat alle Wahrscheinlichkeit für sich. Zunächst ist es offenbar nicht erfunden, denn es ist an Culte und Locale mannichfach geknüpft. Dann wird es durchaus empfohlen dadurch, dass die Bevölkerung von den dorischen Einwohnern so völlig entnationalisirt ist: das ist nur bei diesen halbhellenischen Völkern der Fall, deren ursprüngliches Wesen darum sich jeder scharfen Präcisirung entzieht. Ganz ahnlich hat sich dasselbe Volk auf Aigina gegen die dorischen Einwanderer verhalten. Ferner bestätigt sich die Zusammengehörigkeit von Salamis und Megara; und ist es nicht in hohem Grade bedeutsam, dass die Athener von Ansiedelungen salaminischer, die Aiakiden als Stammväter verehrender Geschlechter grade in Melite und Brauron reden, d. h. an Stellen, wo notorisch stammfremde, wahrscheinlich eben karisch-lelegische Bevölkerung vorhanden war. Gewiss sind die Megarer im Recht, wenn sie den Unhold Skeiron als eine attische Verteufelung ihres Landesheros bezeichnen, und dafür zum Beweise die Genealogien anführen, welche ihn mit den untadeligen Aiakiden verknüpfen; das hätte die Sage mit dem Straßenräuber nie gethan. Aber es ist eine hübsche Probe von der freundnachbarlichen Gesinnung Athens. Die Monumente zeigen, dass die Umbildung des Skeiron schon um die Mitte des fünften Jahrhunderts vollendet war[8]. Schließlich geben die homerischen Gedichte zwar kein directes aber darum doch ein beredtes Zeugniss ab. Megara selbst kommt darin nicht vor; natürlich, denn τὰ Μέγαρα sind die ‚Herrensitze‘ des dorischen Adels; die megarischen uns bekannten Heroen sind [326] theils Eponymoi, theils wie Alkathoos dorische Nationalhelden; die gehören nicht unter die Achäer. Allein über die Landschaft, die später Megaris hieß, musste doch wenigstens im Schiffskatalog eine Angabe sein; wir würden sie finden, hätte es nicht dem Peisistratos beliebt, die Verse, die auf 557 Αἴας δ’ ἐκ Σαλαμῖνος ἄγεν δυοκαίδεκα νῆας folgten, zu streichen und an ihrer Statt ein plumpes Zeugniss für die eben sanctionirte Annexion von Salamis zu setzen. Dass er sich dazu veranlasst fühlte, lässt es wohl glaublich erscheinen, dass ursprünglich dort Aehnliches stand, wie in den freilich schlecht genug fabricirten Versen, die Dieuchidas an die Stelle von 557. 8 setzte[9]:

Αἴας δ’ ἐκ Σαλαμῖνος ἄγεν νέας ἔκ τε Πολίχνης
ἔκ τ’ Αἰγειρούσσης Νισαίης τε Τριπόδων τε.

Nun also die Aeußerungen des Hasses der Athener. Zwar jedes Mal wo ein attischer Redner an den Namen der Megarer ein schmutzig Beiwort hängt, das will ich nicht anführen, das lese man bei ihrem ihrer würdigen Geschichtsschreiber Reinganum nach, der das Urtheil fällt: ‚waren auch diese vielfältigen über ihr Betragen und ihr ganzes Wesen ausgesprochnen Klagen nicht ungegründet, ja gewisser Vorfälle wegen völlig gerechtfertigt, so ist doch auf der anderen Seite nicht zu übersehen, dass man auch Manches übertrieb, ihrem Rücken, wie dem eines willigen Eseleins, das oft aufbürdete, was andern zukam‘. – Doch wir ertragen, Gott sei Dank, solches Gewäsch nicht mehr. Wer sich überdies über all die Redensarten wie Μεγαρικὰ δάκρυα, Μεγαρικὸν μηχάνημα, Μεγαρικαὶ σφίγγες u. s. w. zu unterrichten wünscht, der braucht nur die Paroimiographen oder Suidas aufzuschlagen: die köstliche Acharnerscene spricht vernehmlicher als scheinbar gelehrte in Wahrheit sehr billige Citate. Wenn man vom Hochverräther sagt, der ist werth in Megara begraben zu werden[10], so liegt darin zunächst ja freilich nur außer Landes, aber ein Compliment für die Nachbarstadt ist es eben auch nicht; wenn unter Pittakos’ Namen der Vers ging Μεγαρεῖς δὲ φεῦγε πάντας· εἰσὶ γὰρ [327] πικροί, so ist ja freilich der weise Lesbier an dem Dictum unschuldig, allein wer und in welchem Sinne ihm das Dictum zugetheilt hat, das liegt auf der Hand[11]. Es mischen sich in dem attischen Hasse zwei Vorstellungen: einmal den Ausbund aller Schlechtigkeit in den Megarern zu sehn, ‚du Megarer‘ ist ein Schimpfwort[12]; noch mehr aber, Megara als ein gerngroßes dummstolzes Krähwinkel hinzustellen. Diese Rolle spielte bekanntlich bei den Griechen im sechsten Jahrhundert Aigion, damals eine unbedeutende Colonie von Aigeira. Ihm sollte, als es nach einem kleinen kriegerischen Vortheil, den es errungen, vom Großmachtsschwindel ergriffen den delphischen Gott gefragt, wer der erste der Hellenen sei, die berühmte Antwort geworden sein, welche schließt:

ὑμεῖς δ’ Αἰγιέες οὔτε τρίτοι οὔτε τέταρτοι
οὔτε δυωδέκατοι οὔτ’ ἐν λόγῳ οὔτ’ ἐν ἀριθμῷ.

In dieser Form hatte noch Ion von Chios in einem Enkomion des Spruches gedacht. Hundertundfunfzig Jahre später sind die Megarer ganz allgemein an die Stelle von Aigion getreten, schließlich hat doch wohl Bosheit, nicht Unwissenheit den Megarer Theognis als Gewährsmann für die Schande seiner Vaterstadt angeführt[13]. In diese Reihe nun gehört es offenbar, wenn ein tölpelhafter Spaß, eine dummstolze Aufspielerei megarisch heißt. Solch Stückchen kommt bei Aristoteles Eth. Nikom. 1123 a23) zum Vorschein. Für den βάναυσος der παρὰ μέλος λαμπρύνεται gibt er als Beispiel οἷον ἐρανιστὰς γαμικῶς ἐστιῶν καὶ κωμῳδοῖς χορηγῶν ἐν παρόδῳ πορφύραν εἰσφέρων ὥσπερ οἱ Μεγαρεῖς. Es ist arg, dass man darin das historische Factum hat erblicken wollen, die Choregen in Megara hätten den Eingang zur Orchestra mit Purpur ausgeschlagen. Als ob die gotteslästerliche Bedeutung solcher Handlung nicht aus der prachtvollen Scene des Agamemnon hervorleuchtete, als ob irgend eine Spur einer Choregie, auch nur eines Theaters in Megara vorhanden wäre. Nun die alten Erklärer, von deren Gelehrsamkeit Aspasios einen reichen Auszug gibt, haben die Sache natürlich richtig verstanden, und [328] darin einen Spott der Komödie über die großthuerischen Krautjunker gefunden. Aspasios[14] bemerkt zunächst, dass es Sitte gewesen sei, die Parodos mit Leder auszuschlagen, und dass dies Leder roth war, lernen wir aus Suidas s. v. Φόρμος. Dann führt Aspasios zum Beweise, dass die Megarer immer von der Komödie durchgezogen würden, Komikerstellen an, alle, die überhaupt in Betracht kommen, nur dass einzelne aus anderen Quellen etwas ergänzt werden. Zunächst Μύρτιλος Τιτανόπασιν, das Citat ist ausgefallen sammt dem folgenden Lemma Εὔπολις Προσπαλτίοις, wie das Meineke mit vollem Rechte angenommen, der auch die Verse der Prospaltier (fgm. 3) zumeist richtig verbessert, sie lauten:

ὁ δεῖν’ ἀκούεις; Ἡράκλεις, τοῦτ’ ἐστί σοι
τὸ σκῶμμ’ ἀσελγὲς καὶ Μεγαρικὸν καὶ σφόδρα
ψυχρόν. Β. γελᾷ γὰρ ὡς ὁρᾶς τὰ παιδία.

Zu Anfang ist Unsinniges überliefert und von Meineke Mögliches gegeben. Du da, hörst Du nicht, ruft die eine Person; die andere macht irgend welchen Gestus, über den A. außer sich geräth, das ist ein frecher megarischer erztölpelhafter Spaß. Dass Folgende habe ich als Antwort gefasst und mit Cobet γάρ eingefügt, denn Dobrees γελῶσιν kann doch nicht befriedigen und, füge man nun γάρ ein oder nicht (es ist gewiss das Einfachste) der Satz bleibt begründend: man kann aber nicht die Tölpelhaftigkeit eines Witzes schlechthin damit begründen, dass die Kinder über ihn lachen. Vielmehr erwidert B. was willst du? Mein Spaß ist noch lange gut genug, die Kinder lachen ja. Zufällig sind wir in der Lage angeben zu können, was das für ein megarischer Spaß war. Aristophanes sagt in der Parabase der Wolken, wo er die Sittsamkeit der durchgefallenen Komödie nicht ohne hämische Seitenblicke auf die glücklicheren Rivalen preist, eben von den Wolken

οὐδὲν ἦλθε ῥαψαμένη σκύτινον καθείμενον
ἐρυθρὸν ἐξ ἄκρον παχύ, τοῖς παιδίοις ἵν’ ᾖ γέλως

mit einem deutlichen zum Ueberflusse auch vom Scholiasten bezeugten Citat aus den Prospaltiern. Also mit dem großen rothen Lederphallus gesticulirte jener zum Ergötzen der Kinder. Ob man hieraus irgend eine Nationaleigenthümlichkeit der Megarer bereits abstrahirt hat, weiß ich nicht.

[329] Was werden wir nun sagen, wenn uns die attischen Komiker von einer megarischen Komödie reden? Wenn es nur das wäre, dass sie eine Komödie megarisch nennten, so würde man überhaupt darin wohl nur ein Aequivalent von plump gesehen haben. Das ist’s freilich nicht, und so müssen wir uns die Stellen, die Aspasios weiter anführt, ansehen. Nur eins ist uns im Voraus klar: irgend eine attische Tücke steckt dahinter. Wer von uns verlangt, darin ein biderbes Eingeständniss der Athener zu sehn, die stolzeste und eigenartigste Blüthe ihrer Poesie stamme aus der Fremde, aus Megara gar – ja, ich will lieber nicht sagen, was ich dem erwidern möchte. Und wenn der megarische Ursprung der Komödie auch zehnmal so wahr wäre wie er falsch ist, wenn es eine notorische Thatsache gewesen wäre, so notorisch, wie dass Kleon die abgefallenen Mytilenaeer 427 hinrichten wollte, die Komödie würde so sicher das Gegentheil behaupten, weil es ihr passte, wie der edle ehrliche Aristophanes behauptet, Kleon habe sich von den Mytilenaeern bestechen lassen.

Zunächst steht da bei Aspasios eine verdorbene Stelle des Ekphantides; zum Glück ist das, was wir suchen, kenntlich; ich befolge Hermanns Lesart

Μεγαρικῆς κωμῳδίας
ᾆσμ’ ᾖδον εἰ μὴ ᾐσχυνάμην
τὸ δρᾶμα Μεγαρικὸν ποιεῖν.

Wie man die Sache auch wenden mag, man kommt nicht darum herum, ein Spiel mit dem Worte megarisch zu finden, in dem zuerst die örtliche Beziehung, dann die Nebenbedeutung des Plumpen vorklingt. Der alte Ekphantides kannte also, aber wohlgemerkt kannte auf der attischen Bühne eine megarische Komödie, die er als plump von sich weist. Welcher Art sie war, sagt er nicht; da hilft die andere Stelle, da sie im Zusammenhang vorliegt, weiter. Der Sclave, der im Prologe der Wespen des Aristophanes die Zuschauer mit der Fabel des Stückes (dem λόγος) bekannt macht, fordert dieselben auf

μηδὲν παρ’ ἡμῶν προσδοκᾶν λίαν μέγα
μηδ’ αὖ γέλωτα Μεγαρόθεν κεκλεμμένον.
οὐκ ἔστιν ἡμῖν οὔτε κάρυ’ έκ φορμίδος
δούλω διαρριπτοῦντε τοῖς θεωμένοις

60
οὔθ’ Ἡρακλῆς τὸ δεῖπνον ἐξαπατώμενος

οὐδ’ αὖθις ἐνασελγαινόμενος Εὐριπίδης

[330]

οὐδ’ εἰ Κλέων γ’ ἔλαμψε τῆς τύχης χάριν
αὖθις τὸν αὐτὸν ἄνδρα μυττωτεύσομεν.
ἀλλ’ ἐστὶν ἡμῖν λογίδιόν τι νοῦν ἔχον
ὑμῶν μὲν αὐτῶν οὐχὶ δεξιώτερον
κωμῳδίας δὲ φορτικῆς σοφώτερον.

Die Stelle ist viel umstritten, doch was hier in Frage kommt unzweifelhaft. Nach Aristophanes liegen seine Wespen in der Mitte zwischen zwei Komödiengattungen, einer, die er erst mit λίαν μέγα, dann mit ὑμεῖς αὐτοί bezeichnet, also der wahren alten Komödie, der politischen, und der φορτική, dem aus Megara gestohlenen Schwank. Beide exemplificirt er an je zwei bestimmten Komödien. Die der alten Komödie sind klar; die Bezeichnung der megarischen sind zweifelhafter: der ums Mittag geprellte Herakles deutet auf die mythologische Travestie, die wie es scheint in Athen zuerst in den Ὀδυσσῆς Kratinos einführte; die zwei Sclaven, die den Beifall des Publicums durch eine Spende von Nüssen sich zu erwerben suchen, wird man als Beispiel jenes megarischen Spaßes, den wir sohon oben sahen, wohl anerkennen. Also eine Sorte von Komödien, welche auf der attischen Bühne nicht ungewöhnlich war, welche Aristophanes selbst angewandt hat (denn der Eingang der Frösche ist ein γέλως Μεγαρικός, wenn man, was mir gleichwohl unabweisbar scheint, hier einen Bezug auf eigne Stücke des Aristophanes leugnet[15]), nennt er verächtlich [331] einen aus Megara gestohlenen Schwank. Ist damit die Entstehung der Komödie in Megara zugegeben? das sei ferne. Hier ist dem Aristophanes der Witz schlecht, den er gleichwohl, um die Kinder zum lachen zu bringen, anwendet wo’s ihm passt, aber weil er schlecht ist, kann er nicht aus Athen stammen. So etwas kann nur in Megara passiren. Gewiss, das ist die wahre Komikerlogik. Aber dies Megara liegt eben in der Vorstellung der Athener, diese Komödie wird nicht in Megara gespielt, sie spielt in Megara.

In Latium gab es eine volkstümliche Posse, die dem braven latinischen Bauern und Bürger in komischer Verzerrung all die ewig alten ewig jungen Krähwinkeliaden seines täglichen Lebens vorführte. Aber die Nationaleitelkeit, in Latium auch wohl die Polizei, duldet nicht, dass das eigene Wesen direct mit Verletzung des schuldigen Respects auf die Bühne gebracht werde. Und so ist denn der stereotype Schauplatz in dem kleinen oskischen, d. h. feindlichen, zudem zerstörten Atella an der campanisch-samnitischen Grenze. Dann kommen die Literarhistoriker und verkünden das merkwürdige Factum, die latinische Posse stamme eigentlich von den Oskern, aus Atella, und wohl gar, sie sei ursprünglich auch in Rom oskisch gespielt. Es braucht nicht erst ausgesprochen zu werden: die megarische Komödie ist die athenische Atellana.

Ich glaube, die Parallele springt von selbst in die Augen, so dass Mancher die verkehrten Combinationen der Grammatiker unbesehen bei Seite werfen mag; doch das geht nicht an: haben wir einmal all die schöne Welt, die antike und moderne Philologie sich erbaut hatte, in Stücke geschlagen, so müssen wir auch die Trümmer ins Nichts hinübertragen; es steht nicht zu fürchten, dass wir über all zu viel verlorne Schöne zu klagen hätten. Freilich werden wir nicht die Fable convenue, die man Litteraturgeschichte nennt, zur Vergleichung heranziehen, die behandelt alle die versprengten Notizen wie die Concordanztheologie die Evangelien: kraft einer Sorte von Theopneustie haben Aristoteles und Suidas, Marmor Parium und Etymologicum magnum alle dieselbe Anschauung gehabt, und des Historikers Scharfsinn zeigt sich darin, dass er all die versprengten Notizen einordnet, alles Rauhe mit Kalk und Gyps verstreicht um endlich zu setzen auf das weiß sein Gesicht. Es sei denn, dass er sich, wie Otfried Müller, ein Lieblingsevangelium gesucht, das seinen Principien von ursprünglichem [332] Hellenenthum d. i. Dorerthum entspreche, und dem zu Folge er sich nicht scheut entgegenstehende Autoritäten, sei es auch Aristoteles, über den Haufen zu werfen. Meineke hat es Otfried Müller erst bedeuten müssen, dass eine megarische Urtragödie daraus, dass μεγαρίζειν heulen bedeute, doch wohl noch nicht zu folgern sei. Es ordnen sich in Wahrheit die Zeugnisse in drei Gruppen, deren jede in sich wohl zusammenhangt, den anderen aber widerspricht. Zunächst muss ich leider auf die fast todtgehetzten Zeugnisse in Aristoteles’ Poetik eingehn; es sind ja nur wenige Andeutungen, allein bei Aristoteles ist man dafür berechtigt, jedes Wort haarscharf zu nehmen: ihm, dem Unvergleichlichen, stand ein in jedem scharfgezeichneten Zuge einheitliches, nirgend von der Phrase verwischtes oder von der Hypothese Glanz flimmerndes Bild vor der Seele; und, ich will es nur gestehn, wenn sich die von uns ermittelten Züge nicht in dies Bild fügen, dann bin ich der erste, der sie bei Seite wirft: ich vindicire Aristoteles auf dem Gebiete der litterarhistorischen Thatsachen einfach die Unfehlbarkeit.

Aristoteles versteht zunächst unter Komödie ohne weiteres die attische; von dieser sagt er an der einen Stelle[16], sie sei zunächst, da niemand sich ernstlich um sie bekümmert, unbekannt geblieben. Erst spät (d. h. im Verhältniss zur Tragödie, bei der dies geraume Zeit vor 500 eintrat) habe der Staat sie in die Hand genommen, und die Dichter, die man anführe, würden erst in einer Zeit erwähnt, wo sich gewisse Formen schon festgesetzt hätten. Denn Niemand wisse, wer die Prologe oder die Schauspielerzahl fixirt habe (natürlich so wie sie jetzt sind, d. h. der Prolog stehend in Iamben, die Schauspielerzahl drei); eine abgeschlossene Handlung [333] habe Krates erst nach dem Vorgang der Sikelioten Epicharmos und Phormis seinen Stücken gegeben, indem er auf die iambische Komödiengattung (die specifisch alte, d. h. politische Komödie) verzichtet. Also: erst gibt es die λεγόμενοι ποιηταί, dann erhält, die Komödie die Staatsconcession, dann ist sie iambisch (hier ist es erlaubt, als Komiker den Kratinos einzusetzen), dann kommt Krates. Offenbar kennt Aristoteles von den Komikern, die erwähnt werden, keine Werke. Und wenn er in der Tragödie anzugeben wusste, wer die einzelnen Schauspieler hinzugefügt, in der Komödie aber diese Kunde leugnet, so ist der Grund ja klar. In der Tragödie lag ein ausreichendes litterarisches Material vor, um solche Schlüsse ziehen zu können, in der Komödie gab es keine Stücke, die nicht die gewöhnlichen σχήματα, auch die gewöhnlichen drei Schauspieler, zeigten. Diese Notiz wird ergänzt durch den äußerst wohl unterrichteten Grammatiker anon. de com. XVIb20 Dübn., der die Erfindung des dritten Schauspielers dem Kratinos zuweist. Wenn, wie es Aristoteles andeutet, die Komödien des Kratinos die ältesten vorhandenen waren, so übte nicht jeder gleich dem Meister die ars nesciendi, sondern gab flugs den als εὑρέτης (und um einen solchen ist ja die Grammatik stets verlegen) an, vor dem er den gewünschten dritten Schauspieler nicht nachweisen konnte[17]. Wesentlich vervollständigt wird aber Aristoteles’ Angabe durch die andere Stelle der Poetik, deren aristotelischer Ursprung doch wohl unanfechtbar ist, auch wenn [334] sie an der Stelle, wo sie überliefert ist, nicht ursprünglich sein sollte: dass sie nur aristotelisch sein kann, wird die folgende Betrachtung nebenher ergeben. Die Dorer, sagt er, erheben Anspruch auf die Erfindung von Tragödie und Komödie, auf letztere die Megarer, sowohl die Nisäischen, denn sie sei unter ihrer Demokratie erfunden, als auch die Hybläischen, denn von da war Epicharmos, der viel älter ist als Chionides und Magnes. Sie führen auch einen sprachlichen Grund an, sie nennten nämlich die Dörfer κῶμαι, die Athener nennen sie δῆμοι, Komödie sei demnach nicht von κώμος abgeleitet, sondern von κώμη, da sie von den Bauern die von den Herren in der Stadt schlecht behandelt worden seien, in den Dörfern gesungen sei[18]. In der directen und indirecten Fassung der Sätze hat Aristoteles doch wohl seine Kritik ausgesprochen; ohne Widerrede bei der Etymologie; und dann muss es auch von dem darauf fußenden Anspruch der Nisäischen Megarer gelten. Dagegen den Anspruch der Hybläischen erkennt er, was die Priorität anlangt, an. Er kannte also keine älteren Komiker als Chionides und Magnes in Athen, keine älteren als Epicharmos in Sicilien[19]. Es war Bentleys nicht würdig, zu sagen, Susarion sei von Aristoteles als zu unbedeutend übergangen: die Bedeutung war hier gleichgültig, es kam nur auf das Alter der ersten Anfänge an. Nein, wenn Aristoteles keinen älteren als Chionides nennt, so that er das entweder weil [335] er Susarion nicht kannte oder weil er ihn nicht glaubte. Aristoteles also kennt den Anspruch der Megarer auf die Komödie und verwirft ihn. Ferner sind Chionides und Magnes ohne weiteres mit den λεγόμενοι ποιηταί der andern Stelle identisch. Aristoteles also kannte ältere attische Komiker als Chionides und Magnes, die er vor 465 nicht setzen kann, überhaupt nicht: die ganze moderne Geschichte von der attischen Komödie von Solon bis Kimon kannte er nicht. Schließlich kannte Aristoteles keine Stücke von Chionides und Magnes und setzte die staatliche Concession der Komödie nach ihnen an. Die Kunde über die attische Komödie, die der gelehrteste der Hellenen besaß, reichte nicht über die sechziger, die litterarischen Documente, die der eifrigste Büchersammler besaß, reichten nicht über die fünfziger Jahre (allerfrühestens) hinaus.

Aber wir haben ja noch heute Titel und Bruchstücke von Chionides und Magnes. Das heißt in Meinekes Comici stehen deren. Die allen Grammatiker kannten keine, denn von den unter Magnes Namen gehenden Stücken sagt es ein auf dem auserlesensten pinakographischen Material fußender Zeuge, anonym. III de com. p. XIVb Dübn. ausdrücklich, dass sie unächt waren. Und Magnes reichte noch in die Zeit der komischen Agone herab, denn er siegte zweimal, und stand 424 noch lebhaft in der Erinnerung des Publicums, wenn auch Aristophanes aus eigner Erfahrung nicht von ihm sprechen konnte. Wie rathlos die alten Erklärer um sein Andenken waren, das zeigen eben die Scholien zur Parabase der Ritter; alles was da steht ist einfach aus den Versen des Aristophanes selbst geschlossen. Freilich, die Fragmente werden ohne Bedenken angeführt und wäre die Notiz in den Aristophanesprolegomena nicht durch einen baren Zufall erhalten, würde wohl der für den besonnenen Kritiker gelten, der um Aristoteles willen sie sämmtlich verwürfe? Chionides war älter und unbedeutender als Magnes; weder Aristophanes noch jener Anonymus erwähnen ihn. Suidas gibt ihm drei Stücke, Assyrer oder Perser, die nicht weiter erwähnt werden, Heroen, aus denen Pollux, Suidas und der antiatticista Bekkers (Anekd. 97, 8) ein paar Zeilen erhalten haben, endlich Bettler. Diese citirt Athenaeos und gibt an, dass sie unächt seien. Die Erwähnung des lockren Dichters Gnesippos führt darauf, sie für ein herrenloses Stück der dreißiger Jahre etwa zu halten. Will nun etwa jemand sich der [336] Aechtheit von Assyrern und Heroen annehmen[20]? Also die alexandrinische Forschung steht mit Aristoteles im besten Einklang, es existirten keine vorkratinischen Komödien. Ein directes Zeugniss kommt noch hinzu: Aspasios, dessen Quelle, wie wir sahen, ganz vortrefflich ist, nennt Ekphantides den παλαιότατος τῶν ἀρχαίων κωμικῶν. Es gehörte die ganze Voreingenommenheit O. Müllers dazu, auf dies Zeugniss hin Ekphantides zum Vorgänger des Chionides zu machen und dann gegen Aristoteles ins Feld zu führen. Wie man Kratinos, bei dem man zuerst drei Schauspieler traf, einfach zum Erfinder dieser Institution machte, so ist Ekphantides der älteste Komiker, weil es ältere Stücke nicht gab; älter als Kratinos musste er erscheinen, weil er nicht mehr bis in die eigentliche Blüthezeit der Komödie herabreichte. Und schließlich zeigt eine allgemeine Uebersicht, dass sich von dem Repertoir der komischen Bühne aus der Zeit vor Eupolis und Aristophanes überhaupt nur äußerst wenig erhalten hatte. Von Ekphantides kennen wir einen Titel und ausser den oben angeführten keinen ganzen Vers, von Lysippos gab es die einzigen Bakchen[21], von Telekleides, der doch die zwanziger Jahre erreichte, fünf, von Krates sieben Komödien, und dass auch bei Kratinos die Mehrzahl nach seinem Siege 436 fallen, ist mehrfach bemerkt worden. Sichere Spuren weisen seine Thrakerinnen dem Jahr 443 zu; darüber hinaus kann nichts einigermaßen zuverlässig angesetzt werden. So bieten die Reste der Komödie selber keine Handhabe, um das Jahr, in welchem die Komödie Staatsinstitut ward, näher zu bestimmen. Dagegen fühlt man sich versucht, die Angaben des Eusebius, der Kratinos 454, Krates 451 agnosci lässt, hieher zu ziehen. Sie sind wenigstens an sich unverdächtig und würden sehr wohl zu den allgemeinen Vorstellungen, die man aus Aristoteles gewinnt, passen, aber da Eusebius dem Kratinos den Piaton gesellt und die Veranlassung zu diesem Irrthum nicht ersichtlich ist, so kann man auch auf die andere Hälfte der Notiz sich nicht verlassen. Wir werden [337] uns also begnügen müssen, zu sagen, dass eben die Zeit, welche im Areopag die letzte Schranke der Demokratie brach, welche mit der Verlegung des delischen Schatzes die attische Macht vollendete, die Zeit, wo Perikles’ Einfluss der bestimmende war, der Dichtungsgattung das Theater öffnete, in welcher sich das attische Wesen am vollsten und reinsten aussprechen sollte.

Wir haben also bei Aristoteles zwar nicht die megarische Komödie, von der Aristophanes redet, gefunden, wohl aber eine Darstellung der Geschichte, in welche die attische Atellana ohne Schwierigkeit sich einreiht, mit welcher eine Komödie der Megarer in Widerspruch steht. An Aristoteles selbst schließt sich dann eine zweite Gruppe von Zeugnissen an, welche in großer Fülle erhalten auf eine Quelle und zwar ohne Zweifel eine peripatetische zurückgehen[22]. Diese Quelle befolgt die von Aristoteles verworfene Etymologie von κώμη und führt demgemäß die ätiologische Geschichte breiter aus. Sie hat dann den Susarion, für den die bekannten Verse, in denen er sein Geschlecht angibt, angeführt werden. Er ist Megarer, führt aber die Komödie in Attica ein. Einen Ansatz für seine Zeit finden wir nicht direct, dürfen aber, da Aristoteles die Blüthezeit der megarischen Demokratie kennt und das marmor Parium, doch eben auch auf peripatetischen Forschungen ruhend, Susarion in eine Zeit setzt, welche dazu wohl passt, annehmen, dass derselbe Ansatz hier gemeint war. Von attischen Komikern wird dann außer Magnes noch Myllos genannt, offenbar um die Lücke eines Jahrhunderts freilich dürftig genug zu überbrücken. Dafür wird aber eine Charakteristik dieser ältesten Komödie gegeben, der dann, wie bei Aristoteles (Eth. Nik. IV 14. 1128a) alte und neue folgen. Diese lautet bei Diomedes hi veteris disciplinae iocularia quaedam minus scite ac venuste [338] pronuntiabant noch schärfer in der von Usener bekannt gemachten Glosse prior ac vetus comoedia ridicularis extitit, postea civiles vel privatas aggressa materias u. s. w., beim Anonymus V. οἱ ἐν τῇ Ἀττικῇ πρῶτον συστησάμενοι τὸ ἐπιτήδευμα τῆς κωμῳδίας (ήσαν δὲ οἱ περὶ Σουσαρίωνα) καὶ τὰ πρόσωπα εἰσῆγον ἀτάκτως καὶ μόνος ἦν γέλως τὸ κατασχευαζόμενον. ἐπιγενόμενος δ’ ὁ Κρατῖνος u. s. w. Ganz ähnlich bei Tzetzes. Nun, kann etwas deutlicher sein, als dass jener γέλως Μεγαρικός, den wir oben bei den attischen Komikern verspottet fanden, jene κωμῳδία φορτική allein die Farben zu diesem Bilde geliehen hat? Und ist diese Schilderung der ursprünglichen Späße auf Grund der Kritik, die sie von der Folgezeit erfuhren, noch halb zu billigen: ganz haltlos ist die Verknüpfung derselben mit der von den Megarern behaupteten Priorität ihrer Komödie, ihres Susarion. Was dieser Figur und ihrer präsumirten Komikerthätigkeit zu Grunde liegt, ist wohl unerfindlich: dass man die Verse

ἀκούετε λεώ· Σουσαρίων λέγει τάδε
υἱὸς Φιλίνου Μεγαρόθεν Τριποδίσκιος·
κακὸν γυναίκες ἀλλ’ ὅμως, ὦ δημόται,
οὐκ ἔστιν οἰκεῖν ἡδέως ἄνευ κακοῦ

alterthümlich findet, dass man wohl gar ihren Angaben traut ist stark. Sieht man denn nicht die plumpe Fälschung, die grade nur die Verse des Susarion erhalten sein ließ, in welchen er seine megarische Abstammung bezeugte und gleichwohl nicht κωμῆται sondern δημόται anredet, also die Ikarier – nun wars doch nicht zweifelhaft, dass er den Komegesang in Attika eingeführt. Der Spieß hat sich umgekehrt: oben haben wir die attischen antimegarischen Fictionen abgewiesen, hier liegt eine megarische gegen Athen vor. Aber den Peripatetikern war das zu merkwürdig, als dass sie es nicht geglaubt hätten. Und wie armselig ist die Brücke, die sie von Susarion zu Magnes geschlagen haben. Mit Myllos steht es nämlich also. Kratinos hatte in den Kleobulinai ein Sprüchwort erwähnt, oder es war dieser sein Vers zum Sprüchwort geworden, Μύλλος πάντ’ ἀκούει er hört alles wie Myllos, gesagt von Jemand, der sich taub stellt. Daraus haben die alten Grammatiker sich den Komiker Myllos construirt, der das, aber auf der Bühne, gethan. Es sollte einem doch nicht im Ernste zugemuthet werden zu glauben, dass man sagen könne, [339] Aristophanes schließt seinen Separatfrieden, weil Aristophanes den Dikaiopolis spielte. Und ebensowenig, dass ein leibhaftiger Komiker Μύλλος geheißen habe. μύλλος bedeutet nach Eustath. 906, 23 schielend, μύλλειν kommt in obscöner Bedeutung bei Theokrit 4, 58 vor. Ich dächte, so hätte doch wohl eine Person in einer Posse geheissen. Dem Urkomiker Myllos folge nun gleich eine verwandte Person, mit der noch größerer Unfug getrieben ist: Maison. Ueber diesen unglaublich witzigen megarischen Komiker, der am Hofe des Hipparchos lebte und mit poetischen Aufträgen von seinem hohen Gönner beehrt ward, hat Schneidewin Coniect. crit. 120 gehandelt. Man nennt diese Abhandlung ingeniosissima, und es ist nicht zu bestreiten, dass Aristophanes von Byzanz sie völlig billigen würde. Es ist auch gewiss ein richtiger kritischer Grundsatz, dass zwischen einer Stoikeretymologie und einer antiquarischen Notiz der Alexandriner die Wahl nicht schwer sei, aber wahrer ist es, dass der richtigste kritische Grundsatz ohne Urtheil angewandt in die Irre führt. Auf der attischen Bühne hieß eine Sclavenmaske, welche namentlich den einheimischen Koch gab, Maison[23]. Und Chrysippos hatte diesen Namen mit μασᾶσθαι zusammengebracht. Dagegen bemerkte Aristophanes, die Maske habe ihren Namen von ihrem Erfinder dem Schauspieler Maison aus Megara, von dem auch plumpe Späße maisonische hießen. Polemon aber hatte dagegen wieder bemerkt, Maison habe vielmehr aus dem sicilischen Megara gestammt. Die εὑρέται spielen, wie man sieht, wieder mit, ein Schwindel den Lobeck leider nicht für Jedermann, aber doch für jeden, dem der Aglaophamus nicht ein Scheuel und Greuel ist, abgethan hat. Lehrreich sind auch hier die Paralogismen der vortrefflichen alexandrinischen Forscher: sie haben die Maske (Person) Μαίσων, Μαισωνικὰ σκώμματα, Μεγαρικὰ σχώμματα und, wie sich vermuthen [340] lässt, wenigstens Polemon die Runde, dass Μαίσων, die Person, in der sicilischen (d. i. epicharmischen, megarischen) Posse vorkam. So glaubten sie sich in Gemäßheit ihrer plattrationalistischen Methode vollauf berechtigt, die Existenz eines εὑρέτης Μαίσων anzunehmen, allerdings eines Schauspielers Maison. Dies auf den Dichter der megarischen Komödie übertragen zu haben ist das Verdienst moderner, vielleicht auch schon antiker Concordanzhistorie. Es stand nämlich auf einer der Hermen des attischen Marktes der räthselhafte Vers ἀντ’ εὐεργεσίας Ἀγαμέμνονα δῆσαν Ἀχαιοί. Den sollte der Megarer Maison gemacht haben[24]. Das muss derselbe sein, wie der Schauspieler, Hermen hat Hipparch errichtet (freilich nicht die Hermenstoa), ohne Mühe ist die Combination fertig. Wir werden uns vor dieser Weisheit hüten. Wir begreifen wohl, dass ein völlig räthselhafter, scheinbar ganz verkehrter Spruch für einen megarischen, einen maisonischen Witz gehalten ward; wie Maccus dazu kommen sollte, Sinnschriften für Hipparch zu verfertigen, ist uns unerfindlich.

Wirklichen Gewinn für die Geschichte der Komödie haben uns also weder die Peripatetiker noch die Alexandriner gebracht, aber sie schlossen doch auf factische Anhaltspunkte hin, mit Gelehrsamkeit und Scharfsinn, wenn auch mit verkehrter Methode. So kann man auch an ihren Irrthümern lernen. Es kam aber eine Zeit in der antiken Wissenschaft, wo die Hallucination und der Schwindel an die Stelle der Forschung trat; wo es zu mühsam war, durch Arbeit und Nachdenken sich Aufschlüsse zu verschaffen, und es viel bequemer und eleganter schien das Gewünschte zu erträumen oder zu erlügen. Diese Zeit hat der Geschichte der Komödie die dritte Gestalt gegeben, die in Bruchstücken bei Suidas vorliegt, also wohl dem jüngeren Dionysios von Halikarnass gehört, der natürlich auch Aelteren folgte. Suidas setzt Chionides s. v. acht Jahr vor die Perserkriege, s. v. Epicharmos sechs Jahr vor die Perserkriege Myllos, Euetes, Euxenides; von Magnes sagt er s. v. ὃς καὶ ἐπιβάλλει Ἐπιχάρμῳ νέος πρεσβύτῃ; diese Angaben mit Aristoteles combiniren zu wollen ist bare Unkritik; es bleibt nur die Wahl. Sie könnte an sich nicht zweifelhaft sein. Aber man erkennt auch den Zusammenhang, in dem diese Darstellung entstanden ist, man erkennt die Absicht der Fälschung. Zunächst [341] ist im Interesse der attischen Komödie die Zeit des Chionides in die Höhe je nach Belieben gerückt, und dann sind je nach Belieben schemenhafte Komiker erfunden worden, die die Lücken ausfüllten; das ist die gleiche Fabrik, welche den sikyonischen Tragiker Epigenes durch sechzehn Namen mit Thespis verknüpfte, dieselbe Fabrik, welche die Genealogien von Orpheus und Musaios zu Homer und Hesiod herab erschwindelte, und der Unstern, der über dem Interpolatorengeschmeiß zum Glücke waltet, die Borniertheit, die es nicht einmal fertig bringt eine Namenreihe ohne Albernheiten zu erfinden, waltet auch hier: wie der Verfertiger der Genealogie im dritten Capitel des Lucas immer wieder einen Joseph oder Matthias in seinen Stammbaum einreiht, wie Alexander Polyistor nicht einmal die paar albanischen Könige, die er erfand, mit verschiedenen Namen versehen konnte, so hat der Vater dieser Komiker seinen Euetes, seinen Euxenides, seinen Eukrates schlecht und armselig erfunden. Denn der Eukrates, dessen Vitruvius noch vor Chionides gedenkt (in der Einleitung zum sechsten Buche) gehört offenbar in diese Gesellschaft und gibt uns ein willkommenes Indicium für das Alter der Fälschung.

So bleibt die Geschichte der attischen Komödie vor Kratinos in unaufgehelltem Dunkel; Irrlichter nur wollten uns von dem sichern Boden geschichtlichen Wissens auf das Glatteis der Hypothese oder gar in den Sumpf der Hallucination locken. Auch kein Punkt blieb uns, von dem eine Expedition in das unbekannte Land etwa ausgehen könnte. Wir sehen nur, dass wir nichts wissen können. Wem das das Herz verbrennen will, der mag sich nach Gutdünken das Licht einer neuen schönen Hypothese anzünden; für die Wissenschaft existirt seine Combination so wenig, wie die des Theophrastos oder Eratosthenes, denn wenn er auch das Wahre fände:

εἰ καὶ τὰ μάλιστα τύχοι τετελεσμένον εἰπών,
αὐτὸς ὅμως οὐκ οἶδε· δάκος δ’ ἐπὶ πᾶσι τέτυκται.

ULRICH von WILAMOWITZ-MOELLENDORFF.

Anmerkungen

  1. Ich habe es nicht gewagt, auf das vielleicht bedeutsame Zusammentreffen etwas zu bauen, dass die Megarer zur Zeit ihres Königs Diokles, den auch die eleusinische Sage kennt (Hymn. auf Demeter 474) die Herrschaft über das thriasische Gefild bis an den Aigaleos gehabt haben wollen (Plut. Thes. 10) und bis eben dahin Philochoros (Strab. IX 392) das Reich des Nisos gehn lässt: vielleicht vermag ein Anderer mit ausgebreiteterer Kenntniss das Gewebe zu erkennen, aus dem diese Fäden stammen.
  2. Der Weg, den Pausanias IX 2, 3, schwerlich aus Autopsie, beschreibt, führt heut zu Tage von dem Albanesendorf Vilia über den Kithairon und mündet etwa eine halbe Stunde vor Plataiai in den Weg, der sich von der thebanischen Chaussee nach Kokla abzweigt; er ist für Griechenland nicht allzu beschwerlich, doch an Fahren kann auch im Alterthum, wo auf dem Kithairon viel mehr Schnee war, nicht zu denken gewesen sein. Von einer directen Verbindung von Aigosthena etwa auf Leuktra zu, wo sich die Trümmer des Heers des Kleombrotos retteten (Xenoph. Hell. VI 4, 26) wollte man in Germano nichts wissen.
  3. Philostrat. vit. soph. I 24 schließen die Megarer die Athener von ihren Pythien aus, und der Sophist Markos, ihr ἄποικος (er war aus Byzanz), versöhnt sie.
  4. Einiges hat Welcker kl. Schr. II 280 richtig beurtheilt; ihm lag aber doch nur das Mythische im Sinn.
  5. Strab. IX 392 = Soph. fgm. 19. Man setzt die Verse in den Aigeus, weil dieser sie spricht. Die Tragödie scheint doch den ἀναγνωρισμός des Theseus enthalten zu haben, wie die Euripideische, denn der troizenische Fluss Tauros wird erwähnt; 23 möchte man auf die Pallantiden beziehen, 26 deutet vielleicht einmal ein Monument, es sieht doch sehr nach einem theseischen Reiseabenteuer, z. Β. Prokrustes aus; dann dürfte 819 hieher gehören. Was ich Hermes VII 142, 4 gesagt habe, ist an sich haltlos.
  6. Man kann nicht dagegen anführen, dass Pausanias I 41, 6 ein Grab des Pandion erwähnt. Denn einmal ist eine Accommodation an die längst landläufige attische Tradition in so später Zeit wohl denkbar, andererseits steht Pandion selbst in der attischen Königsreihe ganz vereinzelt, wie das sehr treffend Wachsmuth Athen 451 bezeichnet. Gewiss bemerkt dieser ferner mit Recht, dass Pandion eigentlich nur in Verbindung mit den Thrakern vorkomme. Auch sein Sohn Oineus gehört an den Kithairon, von dem Weinbau und Dionysosdienst nach Athen gekommen ist, allein es ist doch etwas prekär, nun Pandion zum Repräsentanten der thrakischen Ansiedelung in Athen zu machen: seine Beziehungen zu den Thrakern sind ohne Ausnahme feindlich. Ueberhaupt dürften sich die Thraker in Athen doch wohl verflüchtigen, denn der obscure Musencult am Museion kann doch keinen nationalen Gegensatz gegen die sicher ionischen Verehrer der ilisischen Musen bilden; Limnai aber liegt so dicht zwischen der pelasgischen Ge und dem ionischen Pythion, dass es an sich kaum selbständig gedacht werden kann; und zudem ist der dort verehrte Dionysos, der von Eleutherai, nicht durch Wanderung, sondern durch Eroberung nach Athen gebracht. Die mythologische Logik, die von dem Ἐλευθερεύς Ἐλευθεραί ableitet, wundert man sich in einem so von jeder Phantasterei und Spielerei freien und darum so überaus wohlthuendem Buche, wie dem Wachsmuthischen, gebilligt zu finden. Es sei noch bemerkt, dass eben in Megara auf eine thrakische Niederlassung geschlossen werden darf Pausan. I 41, 8.
  7. Pausan. I 40 ff. Ovid Metam. VIII 4. Haupt Monatsber. 1858, 667.
  8. Eine Metope des Theseion, eine wahrscheinlich archaische Terracotta auf dem Dach der Poikile Pausan. I 3, 1 mehrere wundervolle Vasenbilder aus eben dieser Zeit; in der Litteratur scheint das älteste Euripides’ Satyrspiel. Als rationalistisch erkennt man leicht die megarische Version bei Plut. Thes. 10, Skeiron sei als Feldherr des Königs Diokles von Theseus in der Schlacht um Eleusis erschlagen. Brunn befiehlt freilich neuerdings zu glauben, dass diese apokryphe megarische Tradition in kimonischer Zeit an einem attischen öffentlichen Denkmal dargestellt sei; befiehlt zu glauben, dass diese Schlacht um Eleusis im skeironischen Engpass (der nur in Brunns Hirne existirt) stattgefunden habe, und zugleich dieselbe gewesen sei mit dem Kampfe, den Demophon zum Wohl der Herakleiden gegen Eurystheus angefochten: das Ergebniss des Sieges sei die Annexion von Megara und die Errichtung der Grenzsäule am Isthmos gewesen; also dargestellt, im Friese des Theseion. Aber die Wissenschaft wird sich dies nicht octroyiren lassen.
  9. Strab. IX 394; dass die Verse auf Dieuchidas zurückgehn, folgt aus Diogenes I 2, 9. Kann es übrigens ein schlagenderes Beispiel für die alleinige Existenz der peieistratischen Sammlung der homerischen Lieder geben?
  10. Suid. u. a. s. v. Μεγαρέων ἄξιος μερίδος; Teles περὶ φυγῆς, Stob. Flor. 40, 8; II 69 Mein.
  11. Anthol. Pal. XI 440 es war also durchaus verkehrt das Lemma in Φιλίσκου zu ändern.
  12. Philonid. Kothorn. 1.
  13. Ion bei Miller mélanges p. 362; Kallimachos epigr. 25 Mein.; Theokrit. XIV 49; Clemens Strom. VII 901; Bergk lyr.² 453.
  14. Vgl. Gaisford, Hephaest. I 101. Lorenz, Epicharm. 36.
  15. Ich muss im Princip bei der Ansicht, dass Aristophanes sich auf eigne Stücke bezieht, bleiben, wie ich sie observ. crit. in com. Gr. I zu begründen versucht habe. Allein ich habe offenbar Unrecht gethan, dem Scholiasten zu folgen, der den Herakles wie den Euripides auf die Δράματα (Κένταυρος) bezieht: ein und dasselbe Stück kann nicht beiden Gattungen angehören. Dass der Scholiast den Herakles auf die Δράματα bezog, ist freilich Vermuthung, allein ich bezweifle doch, ob es bloß der neckische Zufall gefügt hat, dass eben der Κένταυρος, was längst vor mir Bergk bemerkt hat, einen ums Mittag geprellten Herakles enthält. Ist demnach die Vermuthung, dass Vs. 60 dem Kentauren gilt und dass der Scholiast das wusste, eine annehmbare (und man bedenke, dass Aristophanes unbedingt an den Lenaeen 426 ein Stück gegeben hat), so muss man dem Scholiasten zwar glauben, dass in dem Kentauren ein Angriff auf Euripides vorkam, aber seine Meinung, dass Vs. 61 dem Kentauros auch gälte, verwerfen. Da nun alle vor den Wespen gegebenen Stücke des Aristophanes bekannt sind, so ist eine Wahl möglich: die Auffindung eines passenden Stückes ist die Probe des Exempels; da bleiben uns denn die Acharner als das Stück in dem Euripides mit durchgezogen wurde.
  16. 1449 * 37. αἱ μὲν οὖν τῆς τραγῳδίας μεταβάσεις καὶ δι’ ὧν ἐγένοντο οὐ λελήθασιν, ἡ δὲ κωμῳδία διὰ τὸ μὴ σπουδάζεσθαι ἐξ ἀρχῆς ἔλαθεν· καὶ γὰρ χορὸν κωμῳδῶν ἀψέ ποτε ὁ ἄρχων ἔδωκεν, ἀλλ’ ἐθελονταὶ ἦσαν. ἤδη δὲ σχήματὰ τινα αὺτῆς ἐχούσης οἱ λεγόμενοι αὐτῆς ποιηταὶ μνημονεύονται, τίς δὲ πρόσωπα ἀπέδωκεν ἢ προλόγους ἢ πλήθη ὑποκριτῶν καὶ ὅσα τοιαῦτα, ἠγνόηται· τὸ δὲ μύθους ποιεῖν Ἐπίχαρμος καὶ Φόρμις· τὸ μὲν οὖν ἐξ ἀρχῆς ἐκ Σικελίας ἦλθε, τῶν δὲ Ἀθήνησιν Κράτης πρῶτος ἦρξεν ἀφέμενος τῆς ἰαμβικῆς ἰδέας καθόλου ποιεῖν λόγους καὶ μύθους. Ich bin in der Textgestalt wie in der Erklärung Vahlen gefolgt, wie sich gebührte: nur die Conjectur der Abschriften, welche hinter μὲν in τὸ μὲν ἐξ ἀρχῆς ein οὖν einschiebt, schien mir unerlässlich, oder vielmehr die Ueberlieferung unerträglich, die neuern Heilmittel, die ich kenne, unzulässig.
  17. Ich habe nicht erfahren können, ob man über die Bezahlung der Schauspieler im fünften Jahrhundert etwas weiß. Allein das lässt sich wohl mit Sicherheit annehmen, dass es dem Dichter, genau genommen, dem διδάσκαλος, zukam die Schauspieler auszuwählen, denn wir kennen Schauspieler des Aischylos, Sophokles, Kratinos, Aristophanes, und ich vermag hievon die Notiz, dass Sophokles einen Θίασος τῶν Μουσῶν gestiftet nicht zu trennen; und dann hat doch notorisch Aischylos den zweiten, Sophokles den dritten Schauspieler eingeführt, ja Oidipus auf Kolonos und Rhesos, d. h. die spätesten der erhaltenen Tragödien, erfordern einen vierten. Undenkbar also ist die Vermuthung, die Zahl der komischen Schauspieler sei bei der Concession der Komödie fixirt; völlig nichtig die daran geknüpften Folgerungen, die mit Aristoteles in Conflict gerathen. Es wäre doch auch gar sonderlich, wenn Aischylos und Sophokles ihre scenischen Neuerungen nicht als Dichter vollzogen hätten, sondern bei Rath und Bürgerschaft als eine Novelle zur Festordnung eingebracht hätten.
  18. 1448*30 ἀντιποιοῦνται τῆς τε τραγῳδίας καὶ τῆς κωμῳδίας οἱ Δωριεῖς, τῆς γὰρ κωμῳδίας οἱ Μεγαρεῖς οἵ τε ἐνταῦθα ὡς ἐπὶ τῆς παρ’ αὐτοῖς δημοκρατίας γινομένης, καὶ οἱ ἐκ Σικελίας, ἐκεῖθεν γὰρ ἦν Ἐπίχαρμος πολλῷ πρότερος ὢν Χιωνίδου καὶ Μάγνητος … ποιούμενοι τὰ ὀνόματα σημεῖον, αὐτοὶ (οὗτοι cod.) μὲν γὰρ κώμας τὰς περιοικίδας καλεῖν φασιν, Ἀθηναῖοι δὲ δήμους, ὡς κωμῳδοὺς οὐκ ἀπὸ τοῦ κωμάζειν λεχθέντας ἀλλὰ τῇ κατὰ κώμους πλάνῃ ἀτιμαζομένους ἐκ τοῦ ἄστεως. Vahlen ist in der zweiten Auflage zur Ueberlieferung zurückgekehrt; in der ersten folgte er Spengels Conjecturen von denen mir αὐτοὶ für οὗτοι unerlässlich scheint, Ἀθηναῖοι aber in Ἀθηναίους zu ändern keineswegs.
  19. Wir lernen aus Hephaestion 8, 3, dass Epicharmos einen alten Komiker Aristoxenos erwähnte; Hephaestion fügt hinzu, dass er aus Selinus gewesen sei, und einen, allerdings fabelhaften, Ansatz für ihn (Olymp. 29) gibt Eusebius. Mag das aus irgend einer andern Notiz abgeleitet sein; der Vers den Hephaestion gibt τίς ἀλαζονίαν πλείσταν παρέχει τοῖς ἀνθρώποις; τοὶ μάντεις scheint mir den Stempel der Fiction deutlich an sich zu tragen.
  20. Man pflegt in diesen Fällen eine spätere Umarbeitung, eine doppelte Recension anzunehmen. Obgleich das eine haltlose Annahme ist, mit der überhaupt zwar sehr viel Unheil gestiftet, aber noch keine Schwierigkeit gehoben, so nehme man es einmal getrost hier an: man giebt damit ja doch die Gestalt der vorkratinischen Komödie auf, und lediglich darauf kann es ankommen.
  21. C. I. Gr. I 229. Bergk comm. 143.
  22. Auf eine Bearbeitung dieser Quelle zum Zweck der aristophanischen Prolegemena geht die Hauptmasse der Tractate περὶ κωμῳδίας zurück, speciell anon. V p. XVIb 15 Dübn. und Tzetzes XVIIb sqq. der wörtlich mit jenem stimmt XVIIIb 81, vielleicht auf Tzetzes fußt IXb. Viel reiner aber liegt diese Tradition vor in den Resten von Sueton de poetis (oder der ludicra historia), die sich bei Euanthius, Donat, Isidor und dem St. Galler Glossar (Usener Rh. M. XXVIII 418) und zumal in der Einleitung zum dritten Buche des Diomedes finden. Dass die Urquelle peripatetisch war, ist Reifferscheid nicht entgangen; dass Sueton sie nicht selbst benutzte, sondern seine Weisheit von Varro empfing, ist eine wohl unzweifelhafte Vermuthung von Ritschl.
  23. Pollux IV 149. Athenaeos XIV 659. Festus s. v. Moesones. Die Paroemiographen geben nichts Eignes. Welcker Kl. Schr. I 274 erkennt die etymologische Fiction des Namens; gleichwohl bezweifelt er die Persönlichkeit des Dichters Maccus nicht. Mir ist so, als hätte er genau ebenso über Myllos geurtheilt, allein ich kann die Stelle jetzt nicht wiederfinden. Für Welckers ganze Art, die Litteraturgeschichte zu behandeln, ist diese Halbheit ja charakteristisch. Sappho wird von einem herrschenden Vorurtheil befreit, aber Phaon darf nicht aufgegeben werden. Den letzten Schritt zu thun ist leicht: den Weg zu zeigen aber ist des Meisters.
  24. Harpokrat. s. v. ἑρμαῖ. Zenob. II 11.