Deutsche Kriegszeitung (1914, Heft 1)

Textdaten
Autor: Verantwortlich für die Redaktion: Ludwig Rhein
Illustrator: {{{ILLUSTRATOR}}}
Titel: Deutsche Kriegszeitung
Untertitel:
aus: Vorlage:none
Herausgeber: Berliner Lokal-Anzeiger
Auflage:
Entstehungsdatum: 1914
Erscheinungsdatum: 1914
Verlag: Scherl
Drucker: {{{DRUCKER}}}
Erscheinungsort: Berlin
Übersetzer:
Originaltitel:
Originalsubtitel:
Originalherkunft:
Quelle: UB Heidelberg = Commons
Kurzbeschreibung: Feldzeitung aus dem 1. Weltkrieg
Eintrag in der GND: {{{GND}}}
Bild
Bearbeitungsstand
fertig
Fertig! Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle Korrektur gelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Um eine Seite zu bearbeiten, brauchst du nur auf die entsprechende [Seitenzahl] zu klicken. Weitere Informationen findest du hier: Hilfe
Indexseite


[1]

Nr. 1 – Sonntag, 16. August Preis 10 Pfennig
Deutsche Kriegszeitung 1914

Illustrierte Wochen-Ausgabe

Herausgegeben vom

Berliner Lokal-Anzeiger

An unsere Leser!

Dem deutschen Volke bieten wir in der illustrierten Wochenausgabe der „Deutschen Kriegszeitung“ eine vollständige Geschichte des Weltkrieges in Wort und Bild. Die Schilderung der kriegerischen Ereignisse an den Grenzen Deutschlands und Österreichs sowie der Taten der Kriegsmarine wird, unterstützt durch Bilder und Karten, den Leser dieses Blattes in den Stand setzen, sich jederzeit über die Kriegslage zu orientieren. Es empfiehlt sich daher, die Nummern der „Deutschen Kriegszeitung“ aufzubewahren, die in ihrer Gesamtheit ein Denkmal des Heldenkampfes unseres Volkes darstellen. Die heutige erste Nummer ist den Ereignissen im Westen und auf der See sowie der erhebenden Begeisterung gewidmet, die alle Stände, reich und arm, alt und jung, einmütig zusammengeführt hat.

Verlag und Redaktion.

Aus großer Zeit.
Von einem alten preußischen Offizier.

I.

Von der Bekanntmachung des Kriegszustandes bis zum Gefecht bei Lagarde.

Von Entsetzen und Abscheu ergriffen, hörte die ganze zivilisierte Welt den Knall der Mordwaffe in Sarajewo, deren Blei den hoffnungsvollen Thronfolger unseres geliebten Bruderstaates und dessen anmutige Gemahlin dahinraffte. Zu wildem, glühendem Zorn aber steigerte sich dieses Entsetzen, als es immer deutlicher zutage trat, daß diese beiden edlen Menschenleben einer gemeinen politischen Verschwörung, einem lang geplanten Anschlage zum Opfer fielen und nicht etwa den wahnwitzigen Ideen eines einzelnen unzurechnungsfähigen Individuums. Als aber die Untersuchung weiter ergab, daß Offiziere und Beamte Serbiens an dieser Schandtat mehr oder weniger aktiv beteiligt waren, da war die gerechte Empörung über ein Slawenvolk, dessen Geschichte in den letzten Jahrzehnten immer scheußlicher, immer blutiger geworden war, nicht mehr zu beschwichtigen. Solange diese vor keinem Mord zurückschreckenden Serben sich darauf beschränkt hatten, im eigenen Hause Blut zu vergießen, hatte man es bei tiefer Verachtung bewenden lassen können; solange sie im Kriege schändeten und mordeten, hatte man sich sprachlos vor Ekel nach Rächer umgesehen; als nun aber die Mordwaffe im Dienste einer korrupten Propaganda sich auf eines der edelsten Häupter in Europa lenkte, da, so glaubte man in Österreich und Deutschland, mußte sich jede Faust ballen, um dieses Mordvolk niederzuschmettern. Aber wir hatten uns geirrt. Wir waren zu aufrichtig und zu sehr reinen Geistes, um zu ahnen, daß hinter den Beileidskundgebungen unserer Gegner von der Triple-Entente bei Gelegenheit dieses furchtbaren Mordes der Wille lauerte, aus dem von Serbien vergossenen Blute politisches Kapital zu schlagen, sollten auch ungezählte Menschenleben dabei geopfert werden müssen.

Kaiser Wilhelm II.

Hofphot. Voigt.

Die freundlichen Besuche des Oberhauptes der Republik bei dem Autokraten und bei dem Herrscher des sogenannten freiesten Volkes der Welt, eine prächtige Flottenschau in England, schwülstige, aber von friedliebenden Worten überströmende Reden sollten den Eindruck erwecken, daß alles aufs beste bestellt und die Triple-Entente von eitel Friedensliebe beseelt sei, während in Wirklichkeit die drei Mächte der Entente bereit waren, über das zur Strafe an den Serben sich anschickende Österreich und dessen getreuen Kampfbruder Deutschland herzufallen. Unsere Gewissen, unsere Herzen ahnten derartige Verkommenheit nicht. Mit Befriedigung sahen wir, daß Österreich energisch Sühne verlangte, und daß es dem feuergefährlichen Treiben der serbischen Mordgesellen und Hetzer noch auf friedlichem Wege ein Ende zu machen versuchte. Wer sollte dies verhindern? Konnte ein Zar von Rußland, der Befürworter des Weltfriedens, für Mordgesellen Partei nehmen, lediglich weil diese Slawen waren? Und wenn der Panslawismus wirklich bis ins Mark vergiftet war, konnte eine das Wort Ehre im Munde führende Nation wie die französische dann noch mit den Beschützern von Mordbuben in einem Bündnisverhältnis bleiben? Und selbst wenn dies Unglaubliche möglich sein sollte, würden nicht eine so vornehme Nation wie die englische, ein so ehrbarer Herrscher wie König Georg, ein so feiner und korrekter Minister wie Sir Edward Grey sich voll Entrüstung von den beiden abwenden? Es konnte nicht anders sein nach unseren Begriffen, die wir noch an ehrliches Handeln glauben. Noch mehr. Die Bundesgenossen des Zaren waren nicht nur bereit, auf die Seite der Mörder zu treten, sie waren sogar bereit, uns bis zum letzten Augenblick zu belügen und zu betrügen, um im geheimen zu rüsten, während wir die Maske der Ehrlichheit und Biederkeit dieser Leute für echt hielten. Wir brauchen nicht zu wiederholen, wie der Zar, um uns als das Opfer der Entente in Sicherheit zu wiegen, den Kaiser als Vermittler anrief. Wir brauchen nicht daran zu erinnern, wie russische Staatsmänner auf ihr Ehrenwort uns belogen, wir wollen aber mit Stolz wiederholen, daß unser Kaiser in dem Augenblick, als er den Abgrund der Gefahr erkannte, vor dem die germanische Rasse stand, in der furchtbaren Gefahr edel handelte, und daß er um so schneller handelte, als er die Größe der Gefahr erkannte. Es ist nicht deutsche Art, der Gefahr aus dem Wege zu gehen; es ist nicht eines Hohenzollern Art, sich den übernommenen Pflichten zu entziehen, weil er sonst in große Gefahr geraten könnte. – So kam der große Augenblick der Bekanntmachung des Kriegszustandes. Dem Volke war dies offenbar noch nicht genug. Es hatte die Mobilmachung erhofft. Wie konnte es wissen, daß die Lügner an der Newa immer noch dem Kaiser Friedensliebe vorheuchelten? Doch dem Kriegszustande folgte der Mobilmachungsbefehl schnell genug; just [2]

Die Festung Lüttich genommen

Der erste große Erfolg der deutschen Waffen.

Die Landungsbrücke in Lüttich. Im Hintergrund die Brücke „de la Boverie“.

Ansicht des Quai de la Batte in Lüttich.

Die Große Treppe in Lüttich.

rechtzeitig, um die höllischen Ententepläne im letzten Augenblick zu vereiteln.

Wohl dem, dem beschieden war, den Jubel des Volkes bei der Bekanntmachung der Mobilmachungsorder am 1. August 1914 mitzuerleben. Wo war jetzt Seiner Majestät oppositionelles Berlin? Wo war die Dienstverweigerung der Sozialdemokraten, von der man seit Jahren in England gefaselt hatte? Wo waren die Bedenken des sonst so scharf kritisierenden Berliners? Wie für den Kaiser, so gab es auch fürs Volk keine Parteien mehr. Glück strahlte aus allen Gesichtern der sich langsam nach dem Schlosse vorschiebenden Menschenmenge. Mit welcher Geduld und mit welcher Kraft sang dort das Volksmeer immer und immer wieder die alten patriotischen Weisen, die uns als alte Bekannte aus einer anderen großen Zeit packten und mit seligem Stolz erfüllten! Wer hätte in diesen Tagen, die der Liebe zum Vaterlande gehörten, in diesen Tagen der markigen Reden des Kaisers an seine Berliner, nicht im Geiste das Rauschen der Flügel des deutschen Adlers gehört, des preußischen Adlers, des Adlers der kriegsstarken Hohenzollern?! Kinder werden diese merkwürdigen Tage der Kriegsbegeisterung, diese Tage der uneingeschränkten Hingabe an Kaiser und Vaterland niemals vergessen; den Alten wird sie eine kostbare Wegzehrung sein für den Rest unserer Weltpilgerfahrt. – Die Mobilmachung klappte. Natürlich klappte sie, denn wir sind gründliche Leute und in aller Welt bekannt für unsere Gründlichkeit. Man spöttelt im Auslande über diese Gründlichkeit, aber sie gab uns alles, was wir wollten, während die elegante Nachlässigkeit der Franzosen und die nicht niederzuzwingende Unehrlichkeit der russischen maßgebenden Personen den betreffenden Armeen nicht gaben, was diese brauchten. Also laßt sie über unsere pedantische Gründlichkeit spötteln. Was sollten sie auch anders tun? Nachmachen können sie uns diese Gründlichkeit nicht, ebensowenig wie unseren Patriotismus. Oder haben sich etwa die Freiwilligen in Rußland und Frankreich, wie in Deutschland, in solchen Mengen gestellt, daß sich die Behörden ihrer kaum zu erwehren vermochten? Ganz gewiß nicht. Rußland lieferte bereits Deserteure in Menge, und die Franzosen lassen sich offenbar heute ebenso gern fangen wie im Jahre 1870. – Und so zogen denn unsere „grauen Jungen“, wie wir sie von jetzt an nennen müssen, jubelnd und singend in den Krieg und zeigten bald, daß sie ihrer Väter würdig waren. Betrachten wir, was sie bereits leisteten:

Preußen und Russen.

Im Osten erstreckt sich die Provinz Ostpreußen wie ein Zipfel in russisches Gebiet hinein. Im Süden und Osten standen dort russische Kavalleriedivisionen, einen Einfall drohend; aber man brauchte sich trotzdem keinen allzu großen Befürchtungen hingeben, daß das Land von der feindlichen Kavallerie überschwemmt werden würde, denn man wußte aus dem Russisch-Japanischen Kriege, daß die Tage vorüber sind, in denen russische Kavallerie

Zum Durchmarsch der deutschen Truppen durch Belgien.

Karte zu den Kämpfen bei Mülhausen im Elsaß.

[3]

Zwei historische Gedenkblätter.

Das Kaiserpaar mit den Prinzessinnen beim Feldgottesdienst am 9. August im Lustgarten zu Potsdam.

Das Kaiserpaar und die Prinzessinnen nach dem Feldgottesdienst.

und Kosaken wegen ihres Schneids bewundert und gefürchtet wurden. Der Schneid ist geschwunden; nur die Lust, den Bauern auszuplündern und ihm den roten Hahn aufs Dach zu setzen, erinnert in unangenehmer Weise heute noch an die alten Kosaken. Es waren übrigens an der preußisch-russischen Grenze ganz wider Erwarten deutsche Truppen, die bereits am 2. August die Offensive ergriffen. An diesem Tage rückte nämlich ein Infanteriebataillon mit Maschinengewehrkompagnie und einem Kavallerieregiment in Kalisch ein. An demselben Tage rückten die deutschen Grenzschutztruppen bei Lublinitz ebenfalls über die Grenze und nahmen den berühmten Wallfahrtsort Czenstochau, dessen Hauptbedeutung aber nicht in der Heiligkeit des Ortes, sondern darin zu suchen ist, daß er der Knotenpunkt zwischen großen Bahnen ist. Die Russen rächten sich ihrerseits für die Belästigung durch den lebhaften Gegner, indem sie Eydtkuhnen am 2. August besetzten; ein Vergnügen, dem keine lange Dauer bestimmt war. Ein Angriff auf die Eisenbahnbrücke über die Warthe wurde am gleichen Tage abgewiesen, und der Bahnhof Miloslaw wurde rechtzeitig vor den Kosaken geschützt. Damit war an dem erwähnten 2. August die Tätigkeit der Russen keineswegs erschöpft. Sie wurden in der Richtung auf Johannisburg gesehen und gemeldet und unterbrachen die Fernsprechverbindung Lyck–Bialla. – In der Nähe von Memel erschienen die ungebetenen russischen Gäste ebenfalls am 3. August, wurden aber von Teilen der Besatzung Memel zurückgetrieben. Der ostpreußische Landsturm hatte sogar die sicherlich große Freude, die ersten gefangenen Russen in Gestalt einer Ulanenpatrouille nach Königsberg zu bringen. – Hatten die russischen Kavalleristen bis zum 4. August eine gewisse Initiative gezeigt, so sollten sie an diesem Tage erfahren, daß die deutsche Kavallerie ebenfalls zu reiten versteht. Diese griff an diesem Tage den russischen Grenzort Kibarty bei Stallupönen an, was die russische Besatzung zu wilder Flucht veranlaßte. Damit war aber der russische Grenzschutz glatt durchbrochen und den deutschen Patrouillen gute Gelegenheit geboten, in das Landesinnere einzudringen und zu sehen, was hinter dem Grenzschleier stand. Höchst auffällig erschien es, daß eine russische Kavalleriedivision dem geschilderten Kampfe untätig zusah. Auch dies ist eine häufig beobachtete Erscheinung bei russischer Kavallerie. – Diese Patrouillenaffären boten nun vorzügliche Gelegenheit, unser Militär mit den Eigenheiten russischer Kavallerie vertraut zu machen. Vor allen Dingen lernte man, daß der Russe einfach kehrtzumachen pflegt, wenn er auf energischen Widerstand stößt. Bei Soldau wurde am 4. August eine Kavalleriebrigade bei Gelegenheit einer derartigen Scheinattacke nahezu vernichtet. Die vollständige Vernichtung dieser unglücklichen Brigade erfolgte nachher auf deren Rückmarsch. Und diesen Erfolg hatten unsere Truppen mit dem geringen Verlust von drei Toten und 18 Verwundeten davongetragen! Kein Wunder, daß den russischen Kavalleriedivisionen der Geschmack an der Belästigung deutschen Grenzgebietes mehr und mehr verging.

Zum ersten deutschen Sieg über die Franzosen: Panorama der Stadt Mülhausen im Elsaß.

[4]

Skizze zu dem Gefecht bei Lagarde.

Nach dem ersten deutschen Sieg: Gefangengenommene Belgier.

Es kam für die Russen auch noch ein anderer Faktor in Betracht, nämlich der, daß man in Polen die deutsche Kavallerie an allen Orten mit Jubel begrüßte. Der Teufel soll Lust haben, in Feindesland einzureiten, wenn hinter ihm die eigene Landesbevölkerung aufzustehen beginnt! Noch gab es allerdings russische Kavallerieoffiziere, die nicht ganz an erfolgreichem Vordringen verzweifelten, wie einige am 5. August bei Schwiddern, östlich Johannisburg, und bei Grodtken, zwischen Lautenburg und Soldau, versuchte Vorstöße zeigten, aber es scheinen nur noch schwache Stöße gewesen zu sein, denn die russischen Kavalleriedivisionen sind offenbar ohne ernsten Kampf wieder über die Grenze zurückgegangen. Sie liebten offenbar, wie der berühmte General Kuropatkin in der Mandschurei, nur solche Vorstöße, bei denen Verluste ausgeschlossen waren. Daß die Gärung unter der polnischen Bevölkerung durch die Beweise der russischen Schlappheit nur geschürt werden konnte, lag auf der Hand. Der Pole ist stolz, und er mochte sich schämen, sich so lange einem so schlappen Regiment gebeugt zu haben. Jedenfalls erfolgte am 5. August in Krakau ein Aufruf an polnische Männer und Frauen, den Russen alle nur denkbaren Schwierigkeiten zu bereiten. – Die deutsche Kavallerie blieb inzwischen nicht müßig, sondern drang am 5. August von Kalisch weiter vor bis Wielun, auch dort unter dem Jubel der Bevölkerung einrückend. Der geringe Mut, den die Russen bisher noch gezeigt hatten, schien mittlerweile ganz ausgegangen zu sein. So zog sich am 6. August die 3. russische Kavalleriedivision nach Überschreiten der Grenze südlich Eydtkuhnen sofort zurück, als deutsche Kavallerie erschien. In Russisch-Polen begannen aber die Deutschen in aller Ruhe, und als gäbe es keine russischen Kavalleriedivisionen, die Wiederherstellung der von den Russen zerstörten Bahnstrecken. – Große Freude rief in Wien und Berlin die am 9. August einlaufende Nachricht hervor, daß die von Galizien aus energisch vorgedrungene österreichische Kavallerie mit den Grenztruppen des deutschen Heeres Fühlung gewonnen habe. Von jetzt an geht es also gemeinsam weiter vor gegen den russischen Feind. – Kaum war diese frohe Kunde eingelaufen, als neue, gute Nachricht kam. Bei Bialla, östlich Johannisburg, scheint sich die russische Kavallerie am 9. August noch einmal aufgerafft zu haben. Aber dieses Aufraffen, welches sich in einem Angriff äußerte, bekam ihr schlecht. Sie wurde durch die Tapferkeit der Grenzschutzabteilung von Bialla um acht Geschütze und mehrere Munitionswagen ärmer, wenn auch vielleicht reicher an Erkenntnis, daß diese ostpreußischen Jungen nicht mit sich spaßen lassen. Dies bewiesen auch drei Landwehrkompagnien, die bei Schmalleningken, 3 Meilen östlich Tilsit, drei russische Kompagnien, darunter eine Maschinengewehrkompagnie, zum Rückzug zwangen. Es sind verfluchte Dickköpfe, diese ostpreußischen Landwehrleute! Nicht einmal mit Maschinengewehren kann man auf sie einwirken! – Die Grenzschutztruppen von Eydtkuhnen müssen übrigens mit der Zeit ein gut Teil Erfahrung im Grenzkrieg gewonnen haben, denn am 9. August fertigten sie wieder, 3 Kompagnien und einige Geschütze stark, die 3. russische Kavalleriedivision, ab, der klargemacht wurde, daß sie diesseits der russischen Grenze nichts zu suchen habe.

Heldentaten unserer Marine im Mittelmeer.

S. M. S. „Breslau“. S. M. S. „Goeben“.

Österreichs energisches Verfahren mit Serben, Russen und Montenegrinern.

Wir wollen nun betrachten, wie unser Bundesgenosse bis jetzt beschäftigt war.

Nach dem Kriegsausbruch mit Rußland verschob sich natürlich für ihn das Hauptinteresse von Serbien nach Rußland, von der Donau nach Galizien. Die Serben können warten, denn sie sind keine ernste Gefahr für Österreich. Damit sie aber in Belgrad nicht ganz vergessen, daß sie sich im Kriege befinden, schickt man ihnen von Zeit zu Zeit einige Granaten zu und stört ihre Ruhe auch sonst durch kleinere Unternehmungen auf das serbische Ufer der Donau.

An der österreichisch-russischen Grenze hielt man zunächst die Augen offen und schoß nördlich Lemberg einen russischen Aeroplan herunter. – Am 7. August wurde es lebendig an der Grenze Mittelgaliziens. Unmittelbar nach dem Bekanntwerden der Kriegserklärung versuchten dort und auch an der ostgalizischen Grenze russische Kavallerieabteilungen Vorstöße zu machen. Die Österreicher schlugen aber nicht nur alle Angriffe ab, sondern stürmten selbst eine gut verschanzte Grenzpostenstellung bei Mohile. Feindliche Verstärkungen vermochten nichts auszurichten.

Mittlerweile waren am 8. August die österreichischen Truppen bis Mijechow, 30 Meilen nördlich von Krakau, vorgedrungen und ergriffen von dort die Offensive mit einem schönen Vormarsch von 40 Kilometer. Auch die an der Weichsel stehenden österreichischen Truppen überschritten diese. In Ostgalizien wurden die Orte Radziwilow (Grenzbahnhof westlich Lemberg), Wolotschisk (Grenzbahnhof im östlichen Galizien) und Nowocielica bei Czernowitz, Hauptstadt von der Bukowina, besetzt. Damit war die österreichische Offensive in Polen eröffnet, und es verlautet, daß die Russen Warschau geräumt hätten. Sollte sich dies bestätigen, so wäre es wohl nicht in letzter Linie der Bewegung der Jungpolen oder der „Polnischen Jungschützen“, wie sie sich selbst nennen, zuzuschreiben.

Diese sollen bei Mijechow einen Nachtangriff auf ein russisches Detachement unternommen und diesem einen Verlust von 600 Toten zugefügt haben. Daß die polnischen Jungschützen ihr Möglichstes tun werden, um die abziehenden Russen zu schädigen, ist sicher, aber ihre Berichte sind doch wohl, wie nebenbei gesagt alle Berichte von Freischärlern, mit einiger Vorsicht aufzunehmen. – Nun noch ein Blick auf die Montenegriner. Dieses kleine, unverschämte Bergvolk, welches jetzt auch Deutschland den Krieg erklärt hat, eröffnete ein resultatloses Geschützfeuer auf österreichisches Gebiet und machte am 8. August mit 4000 Mann einen Angriff auf die Grenzposten bei der Festung Trebinje. Dies bekam ihnen freilich übel, denn sie mußten sich mit einem Verlust von 200 Mann zurückziehen, während der Verlust

[5]

Andrang von Berlinerinnen zum Kursus für Krankenpflege vor dem Reichstagsgebäude.

der Österreicher 1 Offizier und 21 Mann betrug. Um den Hammelhirten der schwarzen Berge ihr Geschützschießen abzugewöhnen, legte sich der österreichisch-ungarische Kreuzer vor Antivari und zeigte diesem Hafen, wie unbequem und unbehaglich es ist, beschossen zu werden.

Wir und die Belgier

Wir wußten, daß Frankreich einen Einfall in Belgien und damit eine Bedrohung des Unterrheins plante. Ob England in einem derartigen Falle dieselbe Entrüstung über Neutralitätsbruch an den Tag gelegt hätte, wie heute, ist fraglich. Deutschlands Pläne durften nicht gestört werden. Daher die Besetzung von Luxemburg und im Anschluß daran der Einmarsch in Belgien. Dieses, dem die annehmbarsten Bedingungen geboten worden waren, benahm sich in einer Weise, die uns für die Zukunft jeder Rücksichtnahme entbindet. Leuten gegenüber, die wehrlose Menschen mißhandelten, weil sie Deutsche waren, die auf Ärzte und Verwundete schossen, und deren Frauen kochendes Wasser auf unsere Truppen gossen, bestehen keine Verpflichtungen, mit Ausnahme derjenigen der schärfsten Strenge. – In Belgien liegen nun drei starke Festungen – Lüttich, Namur, Antwerpen. Diese ganz modernen Festungen waren natürlich ein großen Hindernis für die Besetzung des Landes, und die deutsche Oberleitung beschloß deshalb Lüttich zu nehmen. (Siehe Karte.)

Ein Abschiedsgruß von zarter Hand bei dem Ausmarsch.

Am 5. August erfolgte der allgemeine Einmarsch in Belgien, und ihm schloß sich ein Unternehmen an, welches in seiner Tollkühnheit einfach unerreicht dasteht. Eine unbedeutende Truppenabteilung unternahm einen Handstreich auf die moderne Festung, und einige Reiter waren tatsächlich unverschämt, d. h. prachtvoll unverschämt genug, bis in die Stadt vorzudringen, um den Kommandanten zu fangen. Was muß der gesagt und gedacht haben, als er vor diesen unverschämten Dachsen sich durch Flucht retten mußte! Handstreiche sind nun immer gefährlich. Drei Viertel aller Handstreiche schlagen fehl, was natürlich nicht verhindern darf, daß sie immer wieder versucht werden. Die militärisch nicht gerade übermäßig gebildeten Belgier machten natürlich aus dem mißglückten Handstreich eine fürchterliche deutsche Niederlage, und der König der Belgier und König Georg telegraphierten sich sogar über diesen glänzenden Sieg. Da kam die Strafe. Der General der Infanterie v. Emmich, der kleine Emmich, wie er genannt wird, hielt die Sache keineswegs für erledigt. Er verstärkte die abgewiesene Abteilung und führte nun persönlich den Sturm auf die Festung aus. Jubel begrüßte die Nachricht, daß die Festung am 7. August in deutschem Besitze war. Diese Leistung, die Erstürmung einer modernen Festung, erschien fabelhaft. General Emmich erhielt den Orden Pour le mérite, der französische Präsident, der sich vorlügen ließ, daß die Festung sich noch verteidige, blamierte sich, indem er der Gefallenen den Orden der Ehrenlegion verlieh, und der telegraphische Beglückwünschungsverkehr zwischen Brüssel und London wurde eingestellt. Über unsere Verluste, die sicherlich der Größe des Unterfangens entsprechen werden, liegen genaue Nachrichten noch nicht vor. Die belgischen Gefangenen sind zum Teil schon auf dem Wege nach Deutschland.

Die belgische Presse überschwemmt einstweilen das Ausland mit Lügenberichten, in denen sie dieselbe Fertigkeit zeigt wie die ihr

Kriegsfürsorge und Kriegsbegeisterung

Ausrückendes Feldlazarett.

[6]

Die Truppentransporte: Das Rote Kreuz bewirtet Einberufene am Stettiner Bahnhof.

ja wohl geistesverwandte französische Presse.

Alte Feinde, alte Hiebe! Mülhausen und Lagarde.

Wie im Jahre 1870, so hatten auch in diesem Jahre die Franzosen die Ehre, zuerst die Grenze zu überschreiten. Wir werden sehen, daß die Parallele mit dem Jahre 1870 sich weiter ziehen läßt, denn die Franzosen zogen sich, genau wie 1870, dadurch die schönsten Prügel zu. – Also bereits am 2. August, vor der Kriegserklärung, marschierten französische Kompagnien in die Ortschaften Gottesthal, Metzeral und Markirch und besetzten den Schluchtpaß.

Durch den Schluchtpaß führt die Chaussee durch das malerische Münstertal von Colmar her an dem weingesegneten Türkheim und Münster vorbei nach Frankreich. Die Franzosen gedachten natürlich den Weg in umgekehrter Richtung zurückzulegen. Man ließ sie vorläufig unbehelligt.

Dafür kam am 6. August die Nachricht, daß deutsche Truppen ebenfalls die Grenze nach Frankreich überschritten und Briey besetzt hätten. Dieses Städtchen liegt an einer französischen Bahn, die Anschluß an die Linie Metz–Verdun hat. Nun verlautete nichts Besonderes mehr vom Kriegsschauplatz in Elsaß-Lothringen. Man hörte zwar von einem feindlichen Vordringen im Südelsaß bis zum Städtchen Altkirch, aber der Feind war anscheinend von dort wieder nach Süden im Abmarsch begriffen. Wahrscheinlich erhielt jedoch der Feind Verstärkungen, denn die Grenzschutztruppen erhielten Befehl, sich vor ihm zurückzuziehen, und so gelangten die Franzosen, etwa 11/2 Armeekorps stark,

Schüler als Posten bei einem Bahnübergang.

bis nach Mülhausen. Zwischen Mülhausen und Sennheim hatten sie sich eingegraben, wurden jedoch am 10. August angegriffen und unter Hinterlassung von vier Geschützen, zehn Fahrzeugen und einer sehr großen Anzahl von Gewehren und mit einem Verlust von zehn Offizieren und 513 Mann Kriegsgefangenen nach Süden getrieben. Einige sollen versucht haben, die Schweizer Grenze zu überschreiten. Demoralisiert werden diese Franzosen, die bei Mülhausen kämpften, den französischen Boden wieder erreicht haben. Noch schlimmer erging es einer gemischten französischen Brigade bei Lagarde in Lothringen. (S. Karte.) Die Truppen gehörten dem 15. französischen Korps an, welches einen weiten Weg an die französische Grenze gehabt hat. (Wieder ein Beweis dafür, daß der Krieg gegen Deutschland damals schon beschlossene Sache war, denn sonst würde man sich kaum den Luxus des Transports erlaubt haben.)

Lagarde ist ein kleiner Ort, 3 km von der französischen Grenze.

Der für die Franzosen mit so schweren Verlusten zurückgewiesene Vorstoß einer Brigade kam offenbar aus der Richtung von Lunéville, das ein Sperrfort hat, und erfolgte wahrscheinlich über Einville, entlang dem Rhein-Marne-Kanal, an dem der kleine Ort Lagarde (500 Einwohner) liegt.

Aus dem Umstande, daß er von einer gemischten Brigade unternommen wurde, läßt sich auf eine gewaltsame Rekognoszierung schließen. Eine gemischte französische Brigade besteht vorschriftsmäßig aus zwei Infanterie-Regimentern zu je drei Bataillonen und drei Maschinengewehr-Sektionen von je zwei Maschinengewehren. An Kavallerie werden diesen Brigaden in

Auf dem Hof der Sammelstelle für Liebesgaben in der Luisenstraße zu Berlin.

[7]

Grenzposten.

der Regel nur eine Eskadron zugeteilt und an Artillerie drei Batterien.

Da die Mannschaften dem 15. Korps angehörten, können wir annehmen, daß die Truppenteile kriegsstark waren. Die ungefähre Stärke einer kriegsstarken Brigade beläuft sich auf etwa 7000 Mann mit 12 Geschützen sowie 12 Maschinengewehren. Wie empfindlich die Verluste waren, erhellt nicht nur aus der Zahl der Gefangenen (über 1000 Mann), sondern noch mehr daraus, daß dem Feinde zwei Drittel seiner Geschütze und ein Drittel der Maschinengewehre entrissen wurden. Die Eroberung einer Fahne ist der Beweis dafür, daß es zum Handgemenge kam, und daß unsere Leute in diesem ersten Handgemenge Sieger blieben, ist bei dem sehr leicht schwankenden Selbstvertrauen der Franzosen von unendlichem Wert. Die von Süd nach Nord verlaufenden

Im Bürgerquartier.

Zu Offizieren beförderte Lichterfelder Kadetten nach ihrer Meldung beim Kaiser.

Schluchten des Waldes von Parroy boten der fliehenden Brigade gute Deckung, werden sie aber andererseits in kleine Gruppen zersplittert haben.

Diese beiden Siege von Mülhausen und Lagarde haben die Franzosen veranlaßt, deutschen Boden zu räumen, nachdem ihr Oberkommandierender sich zuvor durch eine Proklamation lächerlich gemacht hatte, in der es hieß, die französische Fahne habe „Freiheit und Ehre“ in ihren Falten verborgen. Wir haben Patronen in unseren Gewehren, das wird er jetzt auch wissen. Übrigens haben wir in der eroberten Fahne die Ehre vergeblich gesucht.

Die Ereignisse zur See.

Auch unsere Flotte ist unverzüglich nach Ausbruch des Krieges zur Tat geschritten. Die kleinen Kreuzer „Augsburg“ und „Magdeburg“ eröffneten den Reigen, indem sie den russischen Kriegshafen Libau so erfolgreich beschossen, daß seine Magazin- und Werftanlagen in Flammen aufgingen. Sperrungen durch Minen wurden gleichzeitig ausgeführt. Die moralische Wirkung dieser schnellen, kühnen Angriffstat hat sich in erster Linie in der Zerstörung des schönen finnischen Hafens Hangoe gezeigt, dessen Anlagen die Russen selbst in die Luft sprengten, aus Furcht, sie möchten unseren Zwecken dienstbar gemacht werden. Hangoe ist ein Hafen, der am weitesten nach der freien See vorgeschoben ist und dadurch ein für die dortigen Schärenverhältnisse verhältnismäßig einfaches Fahrwasser hat, außerdem liegt es an der finnischen Bahn, die nach Petersburg führt, daher die Furcht. Dabei wird berichtet, daß ein russisches neues Linienschiff dort auf Grund geraten ist, bei dem dortigen Felsengrund also wahrscheinlich schwer beschädigt ist. Auch Helsingfors hat man ängstlich mit Minen gesperrt, deren erstes Werk gewesen sein soll, einen russischen Kreuzer und ein Torpedoboot in die Luft zu sprengen. Augenzeugen wissen zu erzählen, daß die Finnländer sehnsüchtig nach der deutschen Flotte ausspähen. Gleichzeitig fast kam der kühne Handstreich der „Goeben“ und „Breslau“, die am 2. von Messina ausliefen und am 4. ihre Granaten in die befestigten Häfen von Philippeville und Bône feuerten, um diese Einschiffungshäfen französischer Truppen zu zerstören und nach vollbrachtem Werk vorbei an Biserta, dem französischen Kriegshafen, und an dem englischen Malta nach Messina zurückkehrten. Dort wurden sie von erdrückender Überzahl der Feinde, es wurde nicht nur von den englischen Schlachtkreuzern und Torpedobooten, sondern auch von französischen Geschwadern gesprochen, umzingelt und haben sich durchgehauen. Und schließlich kam denn die Heldentat der kleinen „Königin Luise“, die unter ihrem tapferen Kommandanten Korvettenkapitän Biermann Minen vor wichtigeren Kriegshäfen Englands streute und dabei ruhmvollen Untergang fand, ihren Hauptgegner, den englischen Kreuzer „Amphion“ mit sich in die Tiefe ziehend. Auge um Auge – Zahn um Zahn. – Alle diese Wackeren haben den alten furchtlosen Geist rücksichtsloser Offensive betätigt, der den Krieg in Feindes Land trägt, an seine Küsten. Unsere Unterseeboote sind gesehen in der Einfahrt zum Sund und an der englischen Küste, und wo ein Minenleger war, werden auch mehr an der Küste und in den Fahrwassern gewesen sein und dort ihre Ladung angebracht haben, ohne daß, wie englische Zeitungen lügen, wahllos Minen in der

Den Amerikanern werden deutsche Zeitungen übergeben.

Botschafter Gerard verabschiedet sich von seinen Landsleuten.

Die Abreise der Amerikaner von Berlin: Abschied auf dem Charlottenburger Bahnhof.

[8]

Generalmajor v. Bülow †
Auf dem Felde der Ehre geblieben!

In Erwartung der deutschen Kriegszeitung des „Berliner Lokal-Anzeigers“ über die Kämpfe in Lothringen.

offenen See gestreut seien. Schade, daß es der kleinen „Dresden“ nicht glückte, den großen englischen Schnelldampfer „Mauretania“ zu erwischen, der es vermochte, sich in den kanadischen Hafen Halifax zu flüchten. Unsere Flotte hat noch keine Gelegenheit zu einem Schlag gehabt, sie hat in der Nordsee keinen Feind gefunden, ganz im Gegensatz zu den Lügen englischer Zeitungen, die zu berichten wissen, es ereigne sich nichts, weil die deutsche Flotte nicht herauskomme.

v. K.

Wie wir internierte Russen und Franzosen behandeln.

Vor der Frauenbaracke. Zeitvertreib durch Kartenspiel.
In der Mitte: Leben und Treiben vor einer Baracke.
Unten: Antreten der Internierten vor der Ausgabe des Essens. Unten: Verteilung des Essens an die Internierten.


Druck und Verlag von August Scherl G. m. b. H., Berlin SW, Zimmerstr. 36–41. – Verantwortlich für die Redaktion: Ludwig Rhein, Berlin.