Das Neue Reglement der Judenschafft in Hamburg

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Titel: Das […] Neue-Reglement der Judenschafft in Hamburg […]
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Entstehungsdatum: 1710
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Drucker: Conrad Neumann
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Das Judenreglement war Teil einer Neuordnung der Hamburger Verfassungsverhältnisse unter kaiserlicher Aufsicht, die schweren, zeitweise gewaltsamen Auseinandersetzungen zwischen Rat und Bürgerschaft seit Ende des 17. Jahrhunderts beendeten. Die zwei, fast gleichlautenden Teile des Reglements für portugiesische und „hochdeutsche“, d.h aschkenasische Juden erklärt sich durch soziale und gemeindliche Trennung beider Gruppen. Während die aus Spanien und Portugal zugewanderten Juden meist im lukrativen Großhandel tätig waren, waren die später kommenden Aschkenasen bisher nur als deren „Dienstboten“ angesehen worden. Die Ordnung blieb formal bis zur Emanzipation 1849 in Kraft.


[1]
Das
von Ihro Römischen
Kayserl. Majestät
Allergnädigst-Confirmirte,
Und von
Dero Hohen COMMISSION
Publicirte
Neue-REGLEMENT
Der
Judenschafft in Hamburg /
So Portugiesisch- als Hochteutscher Nation
de Dato 7. Septemb. Anno 1710.



HAMBURG,
Gedruckt bey Conrad Neumann / E. E. Rahts Buchdrucker.

[3] WIR Joseph / von GOttes Gnaden / Erwehlter Römischer Kayser / zu allen Zeiten Mehrer des Reichs / in Germanien / zu Hungarn / Böheimb / Dalmatien / Croatien und Sclavonien etc. König / Ertz-Hertzog zu Oesterreich / Hertzog zu Burgund / zu Brabant / zu Steyr / zu Kärnden / zu Crain / zu Lüzemburg / zu Wirttemderg / Ober- und Nider-Schlesien / Fürst zu Schwaben / Marggraff des Heyligen Römischen Reichs / zu Burgau [4] zu Mähren / Ober- und Nider-Lausnitz / Befürster Graff zu Habspurg / zu Tyrol / zu Pfierd / zu Kyburg und zu Görz / Landgraff in Elsas / Herr auff der Windischen Marck / zu Portenau und zu Salins / etc. etc.

BEkennen offentlich mit diesem Brieff / und thuen kundt Allermänniglich / daß Uns Unsere zu Abthuung deren in Unserer und des Heyl. Reichs-Statt Hamburg fürgewesenen Differentien angeordnete Kayserliche COMMISSION gebührend zu vernehmen gegeben / was gestalten Sie unter anderen zu Verbesserung des gemeinen Statt-Wesens abzielenden Verordnungen / nach zuvor darüber eingezogenem reiffen Bedencken und genauer Überlegung / auch ein Reglement der Judenschafft in Hamburg / so Portugiesisch- als Hochteutscher Nation, entworffen / und dieses / zu desto mehreren Stett- und Vest-haltung zu Unser Aller-Gnädigsten Kayserlichen Ratification und Confirmation gestellet habe / so von Wortt zu Wortt also lautet:

[5]
REGLEMENT
Der
Judenschafft in Hamburg /
so Portugiesisch- als Hochteutscher Nation.


I. Portugiesische Juden.


Art. 1.

SOllen Sie ein stilles frommes Leben führen / und selbigem zufolge an der Christen Sonn- und Feyer-Tagen sich stille und eingezogen halten; Denen Christen auch mit Handel und Wandel / Hand-Arbeit / oder sonsten an selbigen Tagen kein Aergerniß geben.

Art. 2.

Solte sich auch jemand unterstehen / einen Christen zu der Jüdischen Religion zu reitzen / oder würcklich zubereden / und er dessen Rechtlich überführet würde / sol derselbe denen Reichs-Constitutionen gemäß / auch befundenen Umständen nach / Criminaliter gestraffet werden.

Art. 3.

So sollen Sie auch bey schwerer Straffe sich nicht unterfangen / denen Juden / wann Sie über 14 [6] â 15. Jahr alt / so zum Christlichen Glauben sich etwan begeben wolten / einige Hinderung zumachen / noch weniger Sie deßwegen zu verfolgen / oder ihnen Verdruß und Ungelegenheit zuzufügen / noch ihnen ihre Erb- oder andere Gühter zuvorenthalten.

Art. 4.

Würden Sie mit ordentlichem Rechte überführet werden / daß Sie in Schrifften /oder mit Worten / oder bey ihrem Gottes-Dienste auff die Christliche Religion geschmähet / auch gar in die Boßheit verfallen wären / daß Sie den HErren Christum geschimpfet hätten; so sollen Sie nach Beschaffenheit der Umstände an Ehre / Guht / oder am Leibe / oder Leben exemplariter gestraffet werden.

Art. 5.

Zu Exercirung Ihrer Religion und Haltung ihrer Zusammenkünffte / sollen Sie keine publique Gebäude haben / folglich Ihren Gottes-Dienst in privat-Häusern halten / bey Verrichtung Ihrer Gebether / oder Haltung Ihrer Behtstunden aber den Talmud, oder andere unter Christen verbohtene Bücher nicht lesen / auslegen / oder disputiren / auch nichts anders als die Psalmen Davids / die Bücher Mosis und Propheten / und andere des Alten Testaments / oder auch die dieser Stadt alten sehl. Vorfahrern von ihnen vorgezeigte Gebehts Formularia, auch was sonsten zu Pflantz- und Beforderung des Guten gereichet / lesen / singen / behten / thun und verrichten: Dann ferner bey Verrichtung allsolcher Ihrer Gebehter sich des Läuten / Geruffs / und Blasens auf Hörnern und Posaunen enthalten / auch die Lampen in Ihren eigenen Wohn-Häusern [7] an solchen Orten aufhangen / daß dieselben von aussen nicht so leicht gesehen / und also niemanden dadurch Aergerniß möge gegeben werden.

Art. 6.

Wann auch ein nohtwendiges Stück ihrer Religion ist / daß ihre Todten am Tage des Absterbens gleich ausgeführet und bestättiget werden; so wird ihnen solches hiemit verstattet / jedoch daß Sie den Todten Cörper ohne Gepräng / und falls der Sterbfall am Sonn- oder andern Feyer-Tagen sich begebe / nicht ehe als nach der Nachmittags-Predigt / mit einer oder zwo Gutschen / den Todten-Wagen nicht mit gerechnet / ausbringen lassen / die Alten der Judenschafft aber solches billig einige Stunden vorhero bey dem Praesidirenden Herrn Bürgermeister gehörig anmelden / und um Erlaubniß gebührende Ansuchung thun / auch dafür der Cämmerey ein gewisses erlegen müssen.

Art. 7.

Wann Sie auch mit ordentlichem Rechte überführet werden / mit Christen Hurerey / oder Ehebruch getrieben zu haben; So sollen Sie denen Umständen und Käyserl. Rechten nach angesehen und bestraffet werden; So sollen Sie auch die Christlichen Ammen / Mägde und sonstige Bediente entweder in Ihren Diensten nicht haben / oder aber / wann solches geschicht / dieselben des Sonntags / oder in der Wochen nicht allein zur Kirchen gehen lassen / und an ihrem Christlichen Gebeht und anderer Andacht in ihren Häusern nicht hindern / oder irren / sondern auch des Sonntags mit solcher Arbeit / die denen Christen alsdenn nicht geziemet / verschonen / und solche Arbeit an den andern [8] Werckel-Tagen / in der Woche thun lassen: Sie selbsten aber unter der Predigt und Christlichen Gottes-Diensten sich der Kirch-Höffe entäussern / und ohne Noht nicht herüber gehen / in der Christen Kirchen kein Gezanck / und was sonsten äergerlich / treiben / auch auff der Christen Sabbath / Grossen Fest- Buß- und Beht-Tagen keinen Handel / Kauffmannschafft oder Handthierung treiben.

Art. 8.

Würden Sie gestohlene / geraubte und andere verdächtige Gühter wissentlich an sich kauffen / oder Geld darauff vorschiessen / sollen Sie / wann Sie dessen Rechtmäßig überführet / befundenen Umständen nach / nicht nur das gestohlene ohne Entgeldt heraus geben / und dessen / was Sie vorgeschossen / verlustig seyn / sondern auch andern zum Abscheu und Exempel, denen Gesetzen nach / gestraffet werden.

Art. 9.

So sollen Sie auch alles in den Rechten verbohten-übermäßigen Wuchers bey Verlust des Capitals und Zinsen sich enthalten.

Art. 10.

Weil man auch öffters verspühret / daß der Wucher damit verdecket werde / daß Sie in denen Obligationen das Capital samt den Zinsen in einer Summe sich verschreiben lassen; so sollen Sie hinkünfftig die Obligationes also einrichten lassen / daß die Summa Capitalis allein / und die Zinsen in selbigen Obligationen besonders exprimiret werden / in Verbleibung dessen [9] aber der paraten Execution sich nicht zuerfreuen haben.

Art. 11.

Wie dann auch ihnen ernstlich / und bey Verlust des Capitals und Zinsen verbohten wird / die Obligationes und Contracte auf Verfallung der Pfände einrichten zulassen.

Art. 12.

Wann erweißlich dargethan werden kan / daß Sie junge unter Vormündern oder Curatoren stehende / auch andere Ihre Mittel notoriè übel administrirende Leute an sich gezogen / und ihnen Obligationes, oder Wechsel / wofür die Valuta nicht völlig vergnügt wäre / abgeschwatzet hätten; So sollen Sie nicht allein des würcklich vorgeschossenen Capitals und Zinsen verlustig seyn / sondern über diß auch gestalten Sachen nach gestraffet werden.

Art. 13.

In ihren Kleidungen sollen Sie modest und ohne Pracht und Ubermuht sich aufführen.

Art. 14.

Alle ordinaire und extraordinaire Stadt-Onera und Auflagen sollen Sie gleich den Bürgern und andern Einwohnern mit tragen / mit einigen andern Contributionibus aber/ unter was praetext es auch sey / nicht beschweret werden.

[10]
Art. 15.

Dahingegen wird Ihnen hiemit / und krafft dieses aller Obrigkeitlicher Schutz / und zulängliche Hülffe/ in ihren Gerechtsahmen gegen jedermänniglichen versprochen.

Art. 16.

Wann Sie Ihre Behtstunden mit den Ihrigen halten / sollen Sie von niemand gehindert noch molestiret werden / sondern vielmehr von denen p. t. Hrn. Gerichts-Verwaltern alle Obrigkeitliche Assistentz gegen die Contravenienten als Gewaltthäter zu gewarten haben.

Art. 17.

Aller Frevel und Muthwillen / so auf öffentlicher Strassen / und sonsten an ihnen verübet wird / sol befundenen Umständen nach bestraffet / auch auf begebenden Fall von denen in der nähe stehenden Wachten ihnen Schutz gehalten werden.

Art. 18.

Imgleichen wird jedermänniglichen bey hoher willkührlicher Straffe hiemit Ernstlich verbohten / die Juden auf öffentlicher Straßen / noch weniger in Häusern / unter dem praetext des Jagens / Visitirens[WS 1] /oder anderer Ursachen / ohne Erlaubniß der Obrigkeit anzugreiffen / noch das jenige / so Sie bey sich haben / Gewaltthätig ihnen abzunehmen.

[11]
Art. 19.

Solten jedoch dieselbe etwas unternehmen / so denen hiesigen privilegirten und recipirten Aemptern[WS 2] zuwider wäre / sollen zwar sothane Aempter bey ihrer Gerechtsahme allerdings geschützet werden / diese aber auch jene vor die Hrn. Ampts-Patronen / oder gestalten Sachen nach / fürs Aempter-Gericht vorfordern zulassen / und Bescheides zuerwarten schuldig seyn / und viâ facti, wie erst erwehnet / nicht verfahren.

Art. 20.

Wann auch einige Juden mit der Hand-Arbeit / oder anderer kleinen Handelung / so den privilegirten Aemptern nicht zu wider / sich ernehren wolten / sol ihnen solches nicht verwehret werden; Dahingegen Sie der auch unter Christen selbst verbothenen Vorhöckerey[WS 3] sich gäntzlich enthalten / und weder selbst / noch durch ihre Weiber / Jungen / und Gesinde vor den Thoren / oder sonst in dieser Stadt Gebiethe gehen / und daselbst Wachs / und andere herein kommende Victualien aufkauffen / und dem ordentlichen Marckgang entziehen sollen.

Art. 21.

Weil auch die Portugiesische Juden bekandter maßen den Hispanischen Handel in dieser Stadt grösten theils introduciret / über das biß anhero keine geringe / sondern ansehnliche Handlung geführet / sol es bey der Usance, wie es in vorigen Zeiten mit denen Portugiesischen Mäckelern gehalten / gelassen / und an der verstorbenen Stelle andere Mäckeler aus ihrer Nation, [12] biß auf Funffzehen Personen anderen Mäckelern gleich / von E. E. Raht und denen zur Mäckeler-Ordnung Deputirten angenommen werden / darneben aber auch für solche Freyheit das gewöhnliche an das Commercium zuentrichten schuldig seyn.

Art. 22.

Imgleichen werden die Alten der Portugiesischen Nation hiemit authorisiret / wann jemand verstirbet / der unmündige Kinder nachlässet / denen Unmündigen bey dem Praesidirenden Hrn. Bürgermeister gleich Tutores auszubitten / welche nebst ihnen / denen Alten / die Aufsicht haben sollen / damit der Unmündigen Haabseligkeit conserviret / und Sie um das Ihrige nicht gebracht werden mögen / wie unter denen vornehmsten Familien mehrmahlen geschehen.

Art. 23.

In allen andern Geistlichen und Weltlichen Fällen / so allhie ausdrücklich nicht exprimiret / sol es der Juden halber bey dieser Stadt Statuten / auch des Heil. Römis. Reichs und dieser Stadt Policey-Ordnung / so weit jene nach dieser Stadt-Verfassungen statt findet / auch gemeinen Käyserl. Rechten allerdings sein Verbleiben haben / denenselben auch / daß Sie in gewissen Fällen / als in Matrimonial- Testament- und Erbschafft-Sachen / nach Innhalt der Mosaischen Gesetze verfahren mögen / zwar erlaubet / hingegen aber contra praescriptum contractûs de Anno 1650.[WS 4] art. 16. 17. & 18. (1.) in gradibus prohibitis Levit. 18.[WS 5] sich zu verheyrahten / und also Blutschande / wodurch die gantze Stadt verunreiniget wird / zu begehen / (2.) Poligamie oder Viel-Weiberey zugleich zugleich zu exerciren / und [13] (3.) ohne Obrigkeitliche Erkäntniß Scheide-Brieffe zu geben / oder sonsten die Ehe zutrennen / ernstlich verbohten seyn. Gestalten Sie auch sonsten dieser Stadt Jurisdiction, nach wie vor / in Bürgerlichen Sachen allerdings unterworffen bleiben.[WS 6]




II. Hochteutsche Juden.


Art. 1.

Sollen Sie ein stilles frommes Leben führen / und selbigem zufolge an der an der Christen Sonn- und Feyer-Tagen sich stille und eingezogen halten; Denen Christen auch mit Handel und Wandel / Hand-Arbeit / oder sonsten an selbigen Tagen kein Aergerniß geben.

Art. 2.

Solte sich auch jemand unterstehen / einen Christen zu der Jüdischen Religion zu reitzen / oder würcklich zubereden / und er dessen Rechtlich überführet würde / sol derselbe denen Reichs-Constitutionen gemäß / auch befundenen Umständen nach / Criminaliter gestraffet werden.

Art. 2.

So sollen Sie auch bey schwerer Straffe sich nicht unterfangen / denen Juden / wann Sie über 14. â 15. Jahr alt / so zum Christlichen Glauben sich etwan begeben wolten / einige Hinderung zumachen / noch weniger Sie deßwegen zu verfolgen / oder ihnen Verdruß [14] und Ungelegenheit zuzufügen / noch ihnen ihre Erb- oder andere Gühter zuvorenthalten.

Art 4.

Würden Sie mit ordentlichem Rechte überführet werden / daß Sie in Schrifften / oder mit Worten / oder bey ihrem Gottes-Dienste auff die Christliche Religion geschmähet / auch gar in die Boßheit verfallen wären / daß Sie den HErren Christum geschimpffet hätten; so sollen Sie nach Beschaffenheit der Umstände an Ehre / Guht / oder am Leibe / oder Leben exemplariter gestraffet werden.

Art 5.

Zu Exercirung Ihrer Religion und Haltung ihrer Zusammenkünffte / sollen Sie keine publique Gebäude haben / folglich Ihren Gottes-Dienst in privat-Häusern halten / bey Verrichtung Ihrer Gebehter / oder Haltung Ihrer Behtstunden aber den Talmud, oder andere unter Christen verbohtene Bücher nicht lesen / auslegen / oder disputiren / auch nichts anders als die Psalmen Davids / die Bücher Mosis und Propheten / und andere des Alten Testaments / oder auch die dieser Stadt alten sehl. Vorfahrern von ihnen vorgezeigte Gebehts-Formularia, auch was sonsten zu Pflantz- und Beforderung des Guten gereichet / lesen / singen / behten / thun und verrichten: Dann ferner bey Verrichtung all solcher Ihrer Gebehter sich des Läuten / Geruffs / und Blasens auf Hörnern und Posaunen enthalten / auch die Lampen in Ihren eigenen Wohn-Häusern an solchen Orten aufhangen / daß dieselben von aussen nicht so leicht gesehen / und also niemanden dadurch Aergerniß möge gegeben werden.

[15]
Art 6.

Wann auch ein nohtwendiges Stück ihrer Religion ist / daß ihre Todten am Tage des Absterbens gleich ausgeführet und bestättiget werden; so wird ihnen solches hiemit verstattet / jedoch daß Sie den Todten Cörper ohne Gepräng / und falls der Sterbfall am Sonn- oder andern Feyer-Tagen sich begebe / nicht ehe als nach der Nachmittags-Predigt / mit einer oder zwo Gutschen / den Todten-Wagen nicht mit gerechnet / ausbringen lassen / die Alten der Judenschafft aber solches billig einige Stunden vorhero bey dem Praesidirenden Herrn Bürgermeister gehörig anmelden / und um Erlaubniß gebührende Ansuchung thun / auch dafür der Cämmerey ein gewisses erlegen müssen.

Art 7.

Wann Sie auch mit ordentlichem Rechte überführet werden / mit Christen Hurerey / oder Ehebruch getrieben zu haben; So sollen Sie denen Umständen und Käyserl. Rechten nach angesehen und bestraffet werden; So sollen Sie auch die Christlichen Ammen / Mägde und sonstige Bediente entweder in Ihren Diensten nicht haben / oder aber / wann solches geschicht / dieselben des Sonntags / oder in der Wochen nicht allein zur Kirchen gehen lassen / und an ihrem Christlichen Gebeht und anderer Andacht in ihren Häusern nicht hindern / oder irren / sondern auch des Sonntags mit solcher Arbeit / die denen Christen alsdenn nicht geziemet / verschonen / und solche Arbeit an den andern Werckel-Tagen / in der Woche thun lassen: Sie selbsten aber unter der Predigt und Christlichen Gottes-Diensten sich der Kirch-Höffe entäussern / und ohne Noht nicht herüber gehen / in der Christen Kirchen kein [16] Gezanck / und was sonsten ärgerlich / treiben / auch auff der Christen Sabbath / Grossen Fest- Buß- und Beht-Tagen keinen Handel / Kauffmannschafft oder Handthierung treiben.

Art. 8.

Würden Sie gestohlene / geraubte und andere verdächtige Gühter wissentlich an sich kauffen / oder Geld darauff vorschiessen / sollen Sie / wann Sie dessen Rechtmäßig überführet / befundenen Umständen nach / nicht nur das gestohlene ohne Entgeldt heraus geben / und dessen / was Sie vorgeschossen / verlustig seyn / sondern auch andern zum Abscheu und Exempel, denen Gesetzen nach / gestraffet werden.

Art. 9.

So sollen Sie auch alles in den Rechten verbohten-übermäßigen Wuchers bey Verlust des Capitals und Zinsen sich enthalten.

Art. 10.

Weil man auch öffters verspühret / daß der Wucher damit verdecket werde / daß Sie in denen Obligationen das Capital samt den Zinsen in einer Summe sich verschreiben lassen: So sollen Sie hinkünfftig die Obligationes also einrichten lassen / daß die Summa Capitalis allein / und die Zinsen in selbigen Obligationen besonders exprimiret werden / in Verbleibung dessen aber der paraten Execution sich nicht zuerfreuen haben.

Art. 11.

Wie dann auch ihnen ernstlich / und bey Verlust [17] des Capitals und Zinsen verbohten wird / die Obligationes und Contracte auf Verfallung der Pfände einrichten zulassen.

Art. 12.

Wann erweißlich dargethan werden kan / daß Sie junge unter Vormündern oder Curatoren stehende / auch andere Ihre Mittel notoriè übel administrirende Leute an sich gezogen / und ihnen Obligationes, oder Wechsel / wofür die Valuta nicht völlig vergnügt wäre / abgeschwatzet hätten; So sollen Sie nicht allein des würcklich vorgeschossenen Capitals und Zinsen verlustig seyn / sondern über diß auch gestalten Sachen nach gestraffet werden.

Art. 13.

In ihren Kleidungen sollen Sie modest und ohne Pracht und Ubermuht sich aufführen.

Art. 14.

Alle ordinaire und extraordinaire Stadt-Onera und Auflagen sollen Sie gleich den Bürgern und andern Einwohnern mit tragen / mit einigen andern Contributionibus aber / unter was praetext es auch sey / nicht beschweret werden.

Art. 15.

Dahingegen wird Ihnen hiemit / und krafft dieses aller Obrigkeitlicher Schutz / und zulängliche Hülffe / in ihren Gerechtsahmen gegen jedermänniglichen versprochen.

[18]
Art. 16.

Wann Sie Ihre Behtstunden mit den Ihrigen halten / sollen Sie von niemand gehindert noch molestiret werden / sondern vielmehr von denen p. t. Hrn. Gerichts-Verwaltern alle Obrigkeitliche Assistentz gegen die Contravenienten als Gewalttäter zu gewarten haben.

Art. 17.

Aller Frevel und Muthwillen / so auf öffentlicher Strassen / und sonsten an ihnen verübet wird / sol befundenen Umständen nach bestraffet / auch auf begebenden Fall von denen in der nähe stehenden Wachten ihnen Schuld gehalten werden.

Art. 18.

Imgleichen wird jedermänniglichen bey hoher willkührlicher Straffe hiemit Ernstlich verbohten / die Juden auf öffentlicher Straßen / noch weniger in Häusern / unter dem praetext des Jagens / Visitirens oder anderer Ursachen / ohne Erlaubniß der Obrigkeit anzugreiffen / noch das jenige / so Sie bey sich haben / Gewaltthätig ihnen abzunehmen.

Art. 19.

Solten jedoch dieselbe etwas unternehmen / so denen hiesigen privilegirten und recipirten Aemptern zuwider wäre / sollen zwar sothane Aempter bey ihrer Gerechtsahme allerdings geschützet werden / diese aber auch jene vor die Hrn. Ampts-Patronen / oder gestalten [19] Sachen nach / fürs Aempter-Gericht vorfordern zulassen / und Bescheides zuerwarten schuldig seyn / und viâ facti, wie erst erwehnet / nicht verfahren.

Art. 20.

Wann auch einige Juden mit der Hand-Arbeit / oder anderer kleinen Handelung / so den privlegirten Aemptern nicht zu wider / sich ernehren wolten / sol ihnen solches nicht verwehret werden; Dahingegen Sie der auch unter Christen selbst verbohtenen Vorhöckerey sich gäntzlich enthalten / und weder selbst / noch durch ihre Weiber / Jungen / und Gesinde vor den Thoren / oder sonst in dieser Stadt Gebiethe gehen / und daselbst Wachs / und andere herein kommende Victualien aufkauffen / und dem ordentlichen Marckgang entziehen sollen.

Art. 21.

Imgleichen werden auch die Alten der Hochteutschen Nation hiemit autorisiret / wann jemand verstirbet / der unmündige Kinder nachlässet / denen Unmündigen bey dem Praesidirenden Hrn. Bürgermeister gleich Tutores auszubitten / welche nebst ihnen / denen Alten / die Aufsicht haben sollen / damit der Unmündigen Haabseligkeit conserviret / und Sie um das Ihrige nicht gebracht werden mögen.

Art. 22.

In allen andern Geistlichen und Weltlichen Fällen / so allhie ausdrücklich nicht exprimiret / sol es der Juden halber bey dieser Stadt Statuten / auch des Heil. Römis. Reichs und dieser Stadt Policey-Ordnung / [20] so weit jene nach dieser Stadt-Verfassungen statt findet / auch gemeinen Käyserl. Rechten allerdings sein Verbleiben haben / denenselben auch / daß Sie in gewissen Fällen / als in Matrimonial- und Erbschafft-Sachen / nach Innhalt der Mosaischen Gesetze verfahren mögen / zwar erlaubet / hingegen aber (1.) in gradibus prohibitis Levit. 18. sich zu verheyrahten / und also Blutschande / wodurch die gantze Stadt verunreiniget wird / zu begehen / (2.) Poligamie oder Viel-Weiberey zugleich zu exerciren / und (3.) ohne Obrigkeitliche Erkäntniß Scheide-Brieffe zu geben / oder sonsten die Ehe zutrennen / ernstlich verbohten seyn. Gestalten Sie auch dieser Stadt Jurisdiction, nach wie vor / in Bürgerlichen und Peinlichen Sachen allerdings unterworffen bleiben.

Art. 23.

Weil endlich die Erfahrung bezeuget / daß die Hochteutsche Juden von unterschiedlichen Oertern sich gleichsam Troups-weise anhero versammlen und niederlassen / auch verschiedener Sorten und Qualitäten seyn / so daß man dieselbe schwerlich Mann für Mann taxiren kan; Als wird die Verfügung hiermit gemachet/ daß Sie sich unter sich selbst taxiren sollen / wieviel einjeder von ihnen zu dem mit der Stadt accordirten Quanto jährlich geben müsse / welches dann von E. E. Raht / dafern es nicht richtig einkommen solte / per Executionem eingetrieben / wann aber auch von ein und andern derselben solche Contributiones durch Execution nicht zu erhalten / die übrige zwar solch rückständiges Quantum bezahlen / dergleichen nohtdürfftige Juden aber sofort aus der Stadt geschaffet werden sollen.

In Fidem 
Chr. Wilh. Wider.


[21] Wan Uns dan dieser der COMMISSION angewendete Fleiß und Sorgfalt nicht allein zu Unserm gnädigsten Gefallen gereicht / sondern auch solches durch Sie vermitteltes Reglement, als ein zu der Statt Beruhigung diensames Werck gnädigst erwogen; Als haben Wir solches in allen seinen Articulen, Puncten, Clausulen, Inhalt / Main- und Begreiffungen aus Kayserl. Macht / mit wohlbedachtem Muht / gutem Raht / und rechten Wissen auch gnädigst ratificirt, confirmirt und bestättiget; Thun daß auch hiemit wissentlich in Krafft dieses Brieffs / was Wir von Recht und Billigkeit wegen daran zu confirmiren und zu bestättigen haben / sollen und mögen / und mainen / setzen und wollen / daß ob-inferirtes[WS 7] Reglement in allen seinen Wortten / Puncten, Clausulen, Inhalt / Main- und Begreiffungen mächtig und kräfftig seyn / und in Vim Sanctionis Pragmaticae et Legis perpetuô valiturae, von allen interessirten Theilen / stettfest- und unverbrüchlich gehalten / und in allen vollzogen / auch von keinem / wer der auch seye / [22] als von Uns / oder einem jeweilligen Römischen Kayser hinwiederumb aufgehoben werden könne / oder solle / jedoch Uns und dem Heyligen Reich / auch sonsten jedermänniglich / an seinen Rechten und Berechtigkeiten ohnpraejudicirlich.

Und gebieten demnach allen und jeden Chur-Fürsten / Fürsten / Geist- und Weltlichen / Praelaten / Graffen / Freyen / Herren / Rittern / Knechten / Land-Vögten / Haupt-Leuthen / Vitzdomben / Vögten / Pflegern / Verweesern / Ampt-Leuthen / Land-Richtern / Schultheissen / Bürger-Meistern / Richtern / Rähten / Bürgern / Gemeinden / und sonst allen andern Unsern und des Reichs Unterthanen und Getreuen / was Würden / Standt oder Wesens die seynd / ernstlich und festiglich mit diesem Brieff / und wollen / daß Sie benandte Judenschafft wider dieses durch Unsere Kayserliche COMMISSION vermitteltes / und durch Uns als ein immerwehrendes Gesetz confirmirt- und publicirtes Reglement, nicht irren oder hindern / sondern sie dessen / wie obstehet / geruhiglich und unperturbirt / freuen / gebrauchen und geniessen lassen. Insonderheit [23] aber befehlen Wir Bürger-Meistern und Raht / auch gesampter Judenschafft mehr-besagter Statt Hamburg / daß Sie auch Ihrerseits respectivè über solches Reglement halten / und demselben / in so weit es einen jeden bindet / und gegenwärtiger Unserer darüber ertheilten Kayserlichen Confirmation, in allen Puncten, Articulen, Clausulen, Inhalt / Main- und Begreiffungen / wie obstehet / stracks nachkommen / und geleben / darwider nichts thun / handlen und fürnehmen / noch daß jemand andern zu thun gestatten sollen / in keine Weiß noch Weeg / als lieb einem jeden seye / Unsere Kayserliche Ungnade und Straff / und darzu eine Poen, nemlich Funffzig Marck löttigen Golds / zu vermeiden / die ein jeder / so offt er freventlich hierwider thäte / Uns halb in Unsere Kayserliche Cammer / und den andern halben Theil denen Beleidigten unnachläßlich zu bezahlen verfallen seyn solle. Mit Uhrkund dieses Brieffs / besiegelt mit Unserm Kayserlichen anhangenden Insiegel / der Geben ist in Unser Statt Wienn den Siebenden Tag Monahts Septembris, nach Christi Unsers lieben HErrn und Seeligmachers Gnadenreichen [24] Gebuhrt / im Siebenzehen Hundert und Zehenden / Unserer Reiche des Römischen im Ein und Zwantzigsten / des Hungarischen im Drey und Zwantzigsten / und des Böheimbischen im Sechsten Jahre.

Joseph.
Vt. L. Ludwig
Graff von Sintzendorff.
Ad Mandatum Sac.ae Caes.ae Majest.is proprium.

     C. F. Consbruch


     Collat. und Registrirt
Johann Friederich Wening v. W.
     Registrator. Mpp.ria.

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Unter dem Vorwand unzünftige Handwerker („Böhnhasen“) zu jagen, waren waren christliche Gesellen in jüdische Häuser eingedrungen.
  2. Zünfte
  3. Unerlaubter Zwischenhandel, vor allem mit Lebensmitteln, der als Preistreiberei angesehen wurde.
  4. gegen die Vorschriften des Vertrages von 1650 [zwischen Rat und jüdischer Gemeinde]
  5. in den in Levitus 18 verbotenen Verwandtschaftsgraden.
  6. Die Heiratsverbote zwischen Verwandten galten für Juden und Christen gleichermaßen. Das Verbot bezieht sich auf die die Leviratsehe.
  7. Vorlage: ob-inserirtes