Textdaten
Autor: Lothar Meggendorfer
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Titel: Das Buch vom Klapperstorch
Untertitel: für Jung und Alt zur Unterhaltung und Belehrung
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Auflage: 2. Auflage
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Erscheinungsdatum: [1881]
Verlag: Barth
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Erscheinungsort: Dessau
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Quelle: TU Braunschweig, Commons
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[1]
Das Buch
vom Klapperstorch
für Jung und Alt
zur Unterhaltung
und Belehrung.
Mit Zeichnungen
von
Lothar Meggendorfer.


Dessau.
Verlag von Emil Barth Sep.-Cto.


Lith. Anst. v. J. G. Fritzsche, Leipzig.


[2]

Manchem nicht ganz unentbehrlich,
Vielen wieder sehr begehrlich,
Jedem aber Freud’ und Sorg’
Macht bekanntlich Klapperstorch.

Oben in dem Bild gebracht,
Immer für’s Geschäft bedacht,
Geht er sinnend hin und her,
Wo wol’ ’was zu machen wär’.

Hier ’mal wenig, mehr ’mal dort
Hält er überall sein Wort,
Sind die Zeiten noch so schlecht,
Sein Geschäft, das geht erst recht.

[3]

Wie’s bei ihm zu Hause geht,
Ihr in diesem Bilde seht:
Stets besorgt für Trank und Futter
Ist die treue Storchenmutter.

Jeden Dienst sie gern vollführt,
Wenn nicht sonst etwas passirt,
Müssen Alle drum auf Erden
Immer schnell gewaschen werden.

Rührt es Euch nicht, wie vereint
Sie da sitzen? – Manches weint!
Besser ist es, wenn sie niedlich
Lachen, schlafen still und friedlich.

Jedem hier vergeht die Zeit
Nur in Sorgenlosigkeit,
Bis, eh’ man es sich versieht,
Storch mit ihm von dannen zieht.

[4]

Was in Lüften hoch noch eben,
Siehst Du nun auf Erden leben,
Und, wie kann es anders sein,
Gleich bricht auch die Noth herein.

Denn manch’ alten guten Kunden
Hatt’ Storch nicht zu Haus’ gefunden,
Sucht mit seinem Klapp, Klapp, Klapp
Hier die ganze Wohnung ab.

Aber Niemand läßt sich blicken,
Vater schon in der Fabriken,
Mutterchen in schnellem Lauf
Ging zum großen Ausverkauf.

Bald ging’s ihm doch zu Gemüth,
Daß er sich hier wol verfrüht;
Hat sich’s drum gleich vorgenommen,
Will im Mai ’mal wiederkommen.

[5]

Hier kannst Du nun aber sehen,
Wie es Storchen jetzt sollt’ gehen! –
Denn wiewohl man ihm geschrieben,
War man doch nicht heim geblieben.

Froh, daß er mit Müh’ und Kummer
Fand die richt’ge Straßennummer,
War durch’s Fenster er gerannt,
Weil es grade offen stand;

Träumt schon von der Eltern Glücke,
Da – voll Hinterlist und Tücke,
Wo er glaubte Frau und Mann,
Packt ihn Hund und Katze an!

Schon ging es ihm an den Kragen,
Und er konnt’ von Glücke sagen,
Daß zu rechter Zeit die Flucht
Er durch’s zweite Fenster sucht.

Hätten sonst, das ist ja klar,
Storchen und das Kind sogar
Sicherlich wol unterdessen
Beide Bestien aufgefressen. –

Ach, der Storch verlor, wie Jeder
Sieht, dabei so manche Feder;
Schwerlich steht danach sein Sinn,
Daß er wieder fliegt dorthin.

[6]

Wieder mit erneuter Kraft
Geht Storch auf die Wanderschaft,
Hatte aber unterdessen
Wo er hin gewollt, vergessen.

Drum er sich nicht wenig freute,
Als er sah bekannte Leute,
Klopfte mit dem Schnabel fein
Draußen an das Fensterlein.

Drinnen, in dem Schlaf gestört,
Hatte man ihn schon gehört,
Hätt’ ihn auch geholt herein,
Aber Storch, der wollt’ nicht – nein!

Sagte sich, „es ist zu toll,
Sieben Betten sind schon voll;
Darum ist es viel gescheidter,
Gehe noch zum Nachbar weiter.“

Doch noch nicht vom Fenster fort,
War ihm leid sein hartes Wort,
Rief hinein drum: „Aufgeschoben
Ist noch lang’ nicht aufgehoben!“

[7]

Auf der Straße andrer Seiten
Wohnet seit nicht langen Zeiten,
Den als Freund und Medicus
Jedermann nur rühmen muß.

Hier hat Storch es gut getroffen,
Denn die Thüre stand noch offen,
Vater, Mutter und das Kind
Schon im warmen Bette sind. –

Mutter wol was ahnen mußte,
Weil sie noch von Schlaf nichts wußte,
Kurz – sie weckte ihren Mann,
Als der Storch kam eben an.

Lange nahm der sich nicht Zeit,
Und gleich, wie auch sonst bereit,
Ist er eifrigst bald bemüht,
Daß Storch nicht auch hier entflieht.

Kannst ihn springen seh’n und tanzen,
Storchen hält er fest beim Schwanzen,
Sie zu haschen ist bedacht,
Was im Schnabel er gebracht.

Doch ist’s Beiden bald gelungen,
Und der Storch, er ist bezwungen,
Der jedoch – das ist nicht fein –
Beißt noch Muttern schnell in’s Bein.

[8]

Was Storch plötzlich über Nacht,
Längstersehnt, nun mitgebracht,
Hier liegt es in seinem Bettchen:
Ein klein’ prächtig, dickes Mädchen.

Das hat Muttern ganz entzückt;
Stolz der Vater und beglückt,
Läßt es allen Freunden sagen,
Was bei ihm sich zugetragen.

Diese, Onkel, Tanten, Basen,
Als im Blatte sie es lasen,
Nachbarsleut’ in großen Haufen,
Kommen all’ herbeigelaufen. –

Aber zu der Freudigkeit
Kommt auch oftmals stiller Neid;
So es Manchem hier geschah,
Als das Wunderkind er sah.

Heimlich, als nach Haus’ er kam,
Feder, Tint’, Papier er nahm,
Schrieb’s: „Von Herzen, Storch Dich bitt’,
Bring mir auch ein Mädchen mit!“

Und zum Trost dem will ich’s sagen,
Der dem Storch was aufgetragen,
Daß er Wünsche gern erfüllt,
Ja, sie manchmal doppelt stillt.

[9]

Um nun sorglich und im Stillen
Aller Wünsche zu erfüllen,
Hat Storch, weil’s ihn selbst erheitert,
Eiligst sein Geschäft erweitert.

Da gab’s aber freilich nun
Alle Hände voll zu thun;
Dort im Nest und hier im Teich
Kamen Briefe an zugleich.

Und so sehr er sich auch quält,
Ob er sinnt und ob er zählt,
Das Geschäft, so viel er kräxt,
Doch bald über’n Kopf ihm wächst.

Hat’s denn so nicht mehr gezwungen,
Mußte drum den noch zu jungen
Störchen und auch Kinderfrauen
Botendienste anvertrauen.

Doch das ist der Welten Lauf:
Trägt man was der Jugend auf,
Hat man öfter nur davon
Weiter nichts als Confusion.

Nicht nur, daß aus Uebermuth
Manchesmal man etwas thut,
Nicht nur, daß, was man bestellt,
Oft ein Anderer erhält,

Oder daß man umgekehrt
Kriegt, was selbst man nicht begehrt, –
Nein, der Jugend Unverstand
Kommt sonst noch auf allerhand.

[10]

Drum oft nicht, wie sich’s gehört,
Storch bei dem Geschäft verfährt,
Und zu sein stets auf der Hut,
Wenn er kommen will, ist gut.

Denn wo Fenster und auch Thüren
Thaten sonst zum Ziele führen,
Nahm er jüngst den Weg sogar
Durch den Schlott – wie sonderbar.

Da hilft, will er dort hinein,
Weder Lärmen und auch Schrei’n,
Weder Leiter und auch Stecken
Können ihn vom Dache schrecken.

[11]

Und, wie eben angeführt,
War’s denn auch bei uns passirt,
Noch dazu bei einem Knaben,
– Wollten ihn so gerne haben.

Mir bleibt’s heute noch ein Wunder,
Daß Mama g’rad’ war hinunter,
Einmal nachzusehen noch,
Was da gar so brenzlich roch.

Und kaum erst zur Küch’ hinein,
Hört’ sie’s oben auch schon schrei’n,
Doch geschickt, was sollte stürzen,
Hielt sie bald in ihrer Schürzen.

Nur von Angst und Schrecken krank
Lag sie wohl zwei Wochen lang,
– Und die Schuld trug an dem Leid
Storchens Jugendhaftigkeit.

[12]

Immer fort ohn’ Rast und Ruh’
Nimmt’s Geschäft noch weiter zu,
Nun auch Nachts bis oft zum Morgen
Hat der Storch viel zu besorgen.

Keine Vorsicht schützt da mehr,
Müht man sich auch noch so sehr,
Recht genau ihm’s aufzutragen,
Hat man doch oft Grund zum Klagen.

Denn ist nur der Mond ’mal neu,
Ist’s gleich mit dem Licht vorbei,
Und sehr leicht es dann geschieht,
Daß Storch Nachts sich ’mal versieht.

Dies jedoch schafft mit der Zeit
Mancherlei Verlegenheit.
Wie es dann pflegt zu ergehen,
Ist in Folgendem zu sehen:

[13]

Mutter erst von nur drei Knaben,
Wollt’ sie noch ein Mädchen haben;
Und weil sie sich’s wünschte sehr,
Wünscht’ natürlich sich’s auch er.

Dessentwegen deroweilen
Schrieb man Storchen ein paar Zeilen,
Fügte bei noch Zeit und Ort
Und schickte den Brief dann fort. –

Anfangs nun die Mutter wollte,
Daß es Keiner wissen sollte,
Doch wovon das Herz voll steht,
Uns der Mund oft übergeht.

Konnten’s Beide bald für sich
Halten nicht inwendiglich,
Sodaß auch ein Jeder wußte,
Wann ihr Wunsch erfüllt sein mußte.

[14]

Und die Großmama darauf
Geht in ihrem Glücke auf;
Ihres Sehnens heißer Sinn
Steht nach einer Enkelin.

Auch der Onkel, was bisher
Abgelehnt für Knaben er, –
Diesmal sicher und bestimmt
Pathenpflichten übernimmt.

All’ sein Trachten, all’ sein Dichten
Steht allein nach einer Nichten,
Und wenn stolz schon immer sehr,
Wurd’ er nun noch stolzerer.

Selbst des Hauses treuer Diener,
– Wo nur in der Stadt erschien er,
Sprach gern, doch auch vor der Zeit,
Nur von dieser Neuigkeit.

– Doch, wenn was das Schicksal will,
Sei vorher ganz mäuschenstill,
Weil auch anders dann und wann,
Als Du wünschst, es kommen kann!

[15]

Kaum geahnt, so war’s geschehen,
Denn auch hier sollt’ es so gehen:

– Plötzlich Nachts, was Keiner dachte,
Storch ’nen kleinen – Jungen brachte. –

Vater, in den ersten Wirren,
Glaubte schon, sich nur zu irren,

Doch war es bald sonnenklar,
Daß er nun der vierte war.

Was kann aber, wie nun hier,
So ein kleines Kind dafür,
Wenn’s nicht jeden Wunsch erfüllt
Und jedwede Sehnsucht stillt.

Alles Glück, all’ froher Sinn
War für Großmama dahin,
Weil, was sie auch wollte nicht,
Nun hier in den Windeln liegt.

Und der Onkel von der Stunden
War ganz spurenlos verschwunden;
– Daß ihm Storch den Stolz gar bricht,
Konnte er ertragen nicht!

So war Alles lange Zeit
In der größten Traurigkeit,
Und die Schuld daran war, daß
Auf den Storch nicht ist Verlaß.

[16]

Doch auch die Verdrießlichkeit
Hat, wie Alles, seine Zeit,
Und mit dem, was Storch beschieden,
War man froh bald und zufrieden.

– Hatte Storch doch zugesagt,
Als man hatte angefragt,
Derlei unerhörte Sachen
Alle wieder gut zu machen.

Und zur Taufe, wie es Brauch,
Lud man bald die Pathen, auch
Liebe Freunde und Bekannte
Und des Hauses Anverwandte.

Hört nur, bei Trompetenschall,
Unter Feuerwerksgeknall
Lassen sie beim Saft der Reben
Eben Vater Storchen leben:

„Daß dies Haus noch oft wie heut’
Sich so hohen Festes freut!“
– Selbst die Kinder, wie ja immer,
Sind vergnügt im Nebenzimmer. –

Ihnen, weil so brav sie waren,
Sei, wie schon seit vielen Jahren
Sich’s in Nürnberg noch verhält,
Aufgezeichnet und erzählt:

Dort, wie auf der ganzen Welt,
Auch bei Storchen man bestellt,
Nur daß der, was er dann bringt,
Anderweitig her ’mal nimmt.

Ist’s nun, weil in dieser Stadt
Man viel Kinderspielzeug hat,
Daß Storch sich, da’s wol rentirt,
Auch am Markt hat etablirt,

[17]

Oder ist’s ein Jugendstreich,
Daß Storch hielt für einen Teich,
Was von Jedem, wie bekannt,
„Schöner Brunnen“ wird genannt,

Kurz – Nachts, wenn es zwölfe schlägt,
Es sich hier geschäftig regt:
Mägdlein, die bisher im Tiefen
Sanft auf rothen Stühlchen schliefen,

Und die Knäblein, die auf blauen
Lieblich waren anzuschauen,
Nach der Reih’, sich Storch bemüht,
Sie aus kühlem Brunnen zieht.

Schnell ist er, und was gefischt,
Ueber Stadt und Land entwischt,
Sodaß selten Einer sieht,
Wenn dies jedesmal geschieht.

[18]

Paulchen doch vor wenig Tagen
Konnt’, weil artig er, uns sagen,
Daß, als Storch zu Haus’ war da,
Er ihn grad’ noch fliegen sah. –