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Artikel „Wichura, Max“ von Ernst Wunschmann in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 42 (1897), S. 316–318, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Wichura,_Max&oldid=- (Version vom 18. April 2024, 04:58 Uhr UTC)
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Wichura: Max Ernst W., preußischer Regierungsrath, botanischer Reisender und Schriftsteller, geboren zu Neisse am 27. Januar 1817, † zu Berlin am [317] 24./25. Februar 1866. W. erhielt seine Schulbildung auf dem Friedrichs-Gymnasium zu Breslau, das er 1836 verließ, um, dem väterlichen Vorbilde folgend, in Breslau und Bonn Jurisprudenz zu studiren. Nachdem er 1839 seine ersten juristischen Prüfungen bestanden hatte, begann er in Breslau seine praktische Laufbahn als Auscultator und Referendarius, absolvirte dann in Berlin sein drittes Examen und vertrat bis zum Jahre 1849 die Stelle eines Rechtsanwaltes beim dortigen Obertribunal. Ein Jahr lang war er dann Gehülfe des Staatsanwaltes in Ratibor und fungirte von 1851–1857 als Stadtrichter am Stadtgericht zu Breslau. Im folgenden Jahre trat er in das Regierungsfach über, wurde als Justitiarius für Kirchen- und Schulsachen beschäftigt und wurde 1859 zum Regierungsrath in Breslau ernannt, welche Stelle er bis zu seinem Tode bekleidete. So gewissenhaft und gewandt auch W. seine amtlichen Obliegenheiten als Jurist erfüllte, so trieb ihn doch schon frühzeitig die Neigung seines Herzens zur Botanik, welcher er alle seine Mußestunden widmete. Auf dem Gymnasium bereits erhielt er die Anregung dazu durch seinen Director, den späteren Stadtschulrath in Breslau, Dr. Friedrich Wimmer, den trefflichen schlesischen Floristen, an dessen zahlreichen Excursionen er so regen Antheil nahm, daß er sich bald eine gründliche Kenntniß der einheimischen Pflanzenwelt erwarb. Während seiner Studienzeit in Bonn setzte er seine botanischen Forschungen fort, trieb Morphologie und Systematik, namentlich der Süßwasseralgen und der Moose und wandte sich daneben auch den schwierigen Fragen der mathematischen Verhältnisse im Baue der Pflanze und der Gesetze der Bastardbildung mit großem Eifer zu. Mehrfache Reisen verwerthete er für seine botanischen Zwecke. So brachte er 1846 mehrere Sommermonate in Ustron in Oesterreichisch-Schlesien zu, wo er zwei der merkwürdigsten Weidenbastarde entdeckte und unternahm, hauptsächlich in der Absicht, die mannigfaltigen Formen dieser letzteren Pflanzen in freier Natur zu studiren, im Sommer 1856 in Gemeinschaft der Herren v. Wallenberg aus Breslau und Cederstraehle aus Upsala, einen größeren Ausflug nach Lappland. Die Resultate dieser Reise hat er in der Regensburger Flora vom Jahre 1859 in sehr anziehender Weise geschildert. Spätere Reisen in die Alpen und Karpathen kamen namentlich seinen Kryptogamenstudien zu gute. Die Ergebnisse seiner botanischen Untersuchungen hat er vorzugsweise in den Verhandlungen der botanischen Section der Schlesischen Gesellschaft für vaterländische Cultur niedergelegt. Hier veröffentlichte er unter anderen folgende Arbeiten: Untersuchungen über die Richtung der Achsendrehung bei den Zoosporen der Algen und den Infusorien, Beiträge zur Physiologie der Laub- und Lebermoose, über das Verhalten der Laubmoose zum Licht, über die Drehungsbewegungen der Blätter, über gedrehte Stämme, über Faltung der Keimblätter bei Erodium cicutarium, über die Zusammensetzung der weiblichen Blüthe und die Stellung der Narben bei den Weiden, über Isolepis Micheliana, über das Blühen, Keimen und Fruchttragen einheimischer Bäume und Sträucher, über künstlich erzeugte Weidenbastarde, über pseudodiklinische (d. h. himorphe) Blüthen bei Scabiosa und Lythrum, über Stephanosphaera pluvialis (zusammen mit F. Cohn in den Nova Acta Carol. Leop.), über die Verbreitung skandinavischer Pflanzen im schlesischen Gebirge. Wichura’s größte Arbeit, das Ergebniß siebenjähriger mühevoller Versuche, war die als selbständiges Werk 1865 herausgekommene Schrift: „Die Bastardbefruchtung im Pflanzenreich erläutert an den Bastarden der Weiden“. Schon Wimmer hatte mit vielem Scharfsinn in das vor ihm unentwirrbar erschienene Chaos der verschiedenen Weidenformen Licht gebracht und mit glücklichem Griff Hypothesen über die Natur der hybriden Pflanzenformen durch eigene sorgfältige Untersuchungen begründet. W. setzte auf dieser Grundlage die Forschungen seines Lehrers fort, indem er in dem von jenem eigens dazu gemietheten Garten in den Jahren 1852–1859 künstliche [318] Kreuzungsversuche in großer Zahl und mit günstigstem Erfolge ausführte. Außer einer Fülle wichtiger Thatsachen findet man in dem genannten Werke auch eine gedankenreiche Diskussion derselben in Verbindung mit bereits früher bekannt gewordenen Forschungsergebnissen, wodurch für viele einschneidende Fragen auf dem Gebiete der Systematik und Pflanzengeographie ganz neue Gesichtspunkte sich ergaben. Wichura’s wissenschaftliche Befähigung, sowie seine geistige Energie und nicht zuletzt seine kräftige Körperconstitution ließen es als eine glückliche Wahl erscheinen, als er im Herbst 1859 zur Theilnahme an der preußischen Expedition nach Ostasien als Botaniker auf Vorschlag der Akademie der Wissenschaften bestimmt wurde. Zu seiner Unterstützung beim Pflanzensammeln wurde ihm der Gärtner Schottmüller beigegeben. W. begleitete 3 Jahre hindurch die Expedition auf der Fregatte Thetis und besuchte Madeira, Rio Janeiro, Singapore, Manila und verschiedene Küstenpunkte des chinesischen und japanischen Reiches. Bei der Rückkehr der Expedition trennte sich W. in Singapore von derselben, besuchte Java, von wo er, durch einen Anfall von Tropenfieber heimgesucht, in Sikkim ein günstigeres Klima aufzusuchen veranlaßt wurde. Im Sommer 1863 kehrte er, nach kürzerem Aufenthalte in Aden, Aegypten und Corfu, nach Breslau zurück. Von allen berührten Punkten brachte er reichhaltige, mit großer Sorgfalt eingelegte Pflanzensammlungen, welche namentlich im Bereiche der Kryptogamen manche neue Formen enthielten, im besten Zustande zurück. Leider konnte W. sich nicht sofort der Bearbeitung seiner in Berlin niedergelegten Schätze widmen. Er mußte zunächst wieder in seinen alten Wirkungskreis als Rath bei der Regierung in Breslau eintreten und erhielt erst Ende 1865 den nothwendigen Urlaub. Er übersiedelte nach Berlin und nahm mit gewohnter Ausdauer seine Arbeit in Angriff. Da griff das Schicksal in unerwartet trauriger Weise in die Thätigkeit des Gelehrten ein. Man fand ihn am Mittage des 25. Februar 1866 neben seinem Arbeitstische entseelt liegen unter Umständen, welche es zweifellos machten, daß der Tod schon seit vielen Stunden durch Einathmen von Kohlenoxydgas erfolgt war. Außer den während der Reise an die Mutter gerichteten Briefen, ist somit von der großartig angelegten Expedition leider nichts an die Oeffentlichkeit gekommen. Die Sammlungen harren noch im Berliner Herbarium ihrer Bearbeitung.

W. als Mensch wurde von allen, welche ihm näher gestanden, als eine durch und durch harmonisch angelegte Natur geschildert, deren vielseitiges Interesse, verbunden mit einem liebenswürdigen Charakter und großer Bescheidenheit, einen großen Kreis von Freunden anzuziehen verstanden habe.

Nachrufe von F. Cohn in Berichten der Schles. Gesellsch. f. vat. Cultur u. in Botan. Ztg. 1866 u. von P. Ascherson in Verh. d. bot. Vereins f. Brandenburg. Jahrg. VII. – Pritzel, thes lit. bot.