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Artikel „Schneider, Georg Abraham“ von Robert Eitner in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 32 (1891), S. 119–120, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Schneider,_Georg_Abraham&oldid=- (Version vom 29. März 2024, 15:31 Uhr UTC)
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Schneider: Georg Abraham S., ein beliebter Componist und geschätzter Dirigent, geboren am 9. April 1770 zu Darmstadt und † am 19. Januar 1839 zu Berlin. Er war der Sohn eines unbemittelten Bürgers und trat noch sehr jung als Lehrling bei dem Stadtmusikus in Darmstadt ein, wo er alle gebräuchlichen Instrumente erlernen mußte, sich aber besonders auf dem Waldhorn auszeichnete, studirte bei dem Cantor Portmann daselbst, seinem späteren Schwiegervater, Theorie und Composition und trat dann als Oboist in das Musikchor eines hessischen Regiments. Bald darauf wurde er zum Kammermusiker ernannt und trat in die Hofcapelle ein. Im J. 1790 wurde er für die Capelle des Prinzen Heinrich von Preußen in Rheinsberg gewonnen. Hier hatte er Zeit und Gelegenheit, unter Kunstgenossen sein Talent zu entwickeln und zeigte nicht nur als Componist eine große Thätigkeit, sondern veranstaltete auch in Berlin Abonnementsconcerte. Im Sommer fanden dieselben im einstigen George’schen Garten in der Bellevuestraße (Ecke der Thiergartenstraße) statt. Nach dem Tode des Prinzen (1802) fanden die Mitglieder der Capelle in der königl. Capelle in Berlin Aufnahme. 1812 (nach anderen 1814) erhielt er einen Ruf als Musikdirector am Theater in Reval, welches unter Kotzebue’s Leitung stand; doch war dort seines Bleibens nicht lange, und er unternahm eine Kunstreise durch Europa als Waldhornist. In damaliger Zeit fühlte sich jeder Instrumentist, der heute nur seinen Platz im Orchester findet, concertfähig, und so sehen wir den Fagottisten, [120] Oboisten, Clarinettisten, Contrabassisten, sogar den Guitarrespieler, den Glasharmoniker und Harmonikaspieler von Ort zu Ort reisen und Concerte geben. Diese Periode war nicht nur für die Ausbildung unserer Orchesterinstrumente sehr nothwendig, sondern in jeder Hinsicht von Nutzen. Die Kunst der Instrumentation war bis zu Mozart’s Zeit kaum über die erste Jugend hinausgekommen. Man begnügte sich bis dahin meist mit einem dreistimmigen Orchestersatze, der von zwei Violinen und Baß, oder Violine, Bratsche und Baß ausgeführt wurde. Die Blasinstrumente fielen im tutti je nach ihrer Stimmlage mit ein und nur selten wechselte die Oboe mit der Violine. Das Clavier oder vielmehr der Flügel, der im Concerte nur im Gebrauch war, spielte stets den Generalbaß mit und füllte die magere Harmonie mit Accorden aus. So schrieben die Italiener, die Franzosen, und die Deutschen machten es nach. Man denke an Gluck’s Ouverturen, die noch ein getreues Bild der einstigen Instrumentation geben. Erst Mozart trennt das Streichquartett vom Holzbläserquartett und theilt letzterem oft die Hornbläser zu. Jetzt erst erhielt jedes Instrument im Orchester seine Bedeutung und wurde seinem Charakter gemäß verwendet. Beethoven bildete mit Riesenschritten das Orchester um und stellte an jeden Instrumentisten die Forderung eines Virtuosen. Wie haben die Contrabassisten geseufzt und geflucht, als ihnen Beethoven seine 3. Symphonie, die Eroica, vorlegte. Hätten sich damals nicht bei jedem Instrumente Virtuosen befunden, so war eine Aufführung Beethoven’scher Werke geradezu eine Unmöglichkeit. Heute muß jeder Orchesterspieler Virtuose auf seinem Instrumente sein und seine Virtuosität im Orchester zu zeigen, genügt ihm. S. kehrte 1816 wieder in sein Dienstverhältniß in Berlin zurück, wurde 1820 Musikdirector und 1825 Capellmeister an der königl. Oper und Director sämmtlicher Musikchöre der Garden. S. besaß eine umfassende Kenntniß aller Orchester- und Militär-Instrumente und die Kunst, sie wirkungsvoll zu verwenden, so daß er darin von allen als Autorität anerkannt wurde; man sagt sogar, daß ihn Spontini vielfach um Rath gefragt habe bei Ausarbeitung seiner auf Effect berechneten Opern. Auch den Radziwill’schen Faust soll er instrumentirt haben. Er selbst hat außerordentlich viel Instrumental-Compositionen geschrieben, wovon die königl. Bibliothek in Berlin im Druck besitzt: 3 Concerte für Flöte, Clarinette und Fagott, ferner Quintetts, Quartetts, Duos für Streichinstrumente und für Flöten, und im Manuscript: mehrere Cantaten, Operetten („Aucassin und Nicolette“, „Die Hottentottin oder Haß Deutschlands Schönen“, „Die Verschworenen“, „Verheirathet und Begraben“, „Die ungebetenen Gäste“ u. a.). Er schrieb auch das Oratorium „Die Pilgrime auf Golgatha“, Text von F. W. Zachariae, welches am 8. September 1807 in der Petrikirche zu Berlin aufgeführt wurde. Der Referent der Leipziger Musikzeitung sagt ungefähr, daß es wohlklingend, gesangreich, aber zu theatralisch gehalten sei. Es leidet daher an denselben Mängeln, wie alle damalige Kirchenmusik: es bot eine leichte melodiöse Erfindung ohne Verwerthung des Contrapunkts und ohne die Weihe kirchlicher Stimmung. Erst das Studium Bach’scher, Händel’scher und altitalienischer Werke führte uns zurück zur Erkenntniß des wahren Ausdrucks religiöser Gefühle, und das Studium Beethoven’scher Werke gab uns die Mittel in die Hand, wieder den Contrapunkt wirkungsvoll gebrauchen zu lernen, ohne dabei in starres Fugenwesen zu fallen.