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Artikel „Heineccius, Johann Gottlieb“ von Roderich von Stintzing in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 11 (1880), S. 361–363, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Heineccius,_Gottlieb&oldid=- (Version vom 28. März 2024, 22:46 Uhr UTC)
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Heineccius: Johann Gottlieb H., Jurist, geboren am 11. September 1681 in Eisenberg, wo sein Vater, den er schon im 11. Lebensjahre verlor, Lehrer an der öffentlichen Schule war. Dieser hatte noch die deutsche Form des Familiennamens Heinecke beibehalten, den erst unseres H. älterer Bruder Joh. Michael H. (s. u.) latinisirte. H. empfing seine erste Bildung in seiner Vaterstadt, kam dann durch Verwendung seines Bruders, der damals Prediger in Goslar war, 1698 in das Haus des dort angesessenen kaiserl. Hofraths von Seidensticker, mit dessen Unterstützung er bald darauf die Universität Leipzig bezog, um Theologie zu studiren. Mit Vorliebe widmete er sich dem Studium der Kirchengeschichte und chronologischen Untersuchungen, erwarb 1703 den Magistergrad in der philosophischen Facultät und ging dann nach Goslar zurück, wo er ein geistliches Amt zu erlangen hoffte und öfter die Kanzel betrat. Indeß reifte sein Entschluß sich dem Studium der Jurisprudenz zuzuwenden. Es bot sich die Gelegenheit, einen jungen Mann als Hofmeister nach Halle zu begleiten. Hier fesselte ihn vor Allem Samuel Stryck († 1710), der ihn als ausgezeichneten Schüler in jeder Weise begünstigte. Bald begann H. eine erfolgreiche Lehrthätigkeit in juristischen und philosophischen Disciplinen, ward 1708 zum Adjuncten in der philosophischen Facultät und 1713 zum Professor der Philosophie ernannt; 1716 Doctor der Rechte, 1720 außerordentlicher, 1721 ordentlicher Professor der Jurisprudenz und kgl. preußischer Hofrath. Im J. 1723 folgte er einer Berufung an die damals blühende Universität Franecker, als Nachfolger Westenberg’s. Die hier verlebten Jahre, in welchen er sich größerer Muße zu wissenschaftlichen Arbeiten erfreuen durfte, als sie deutschen Professoren vergönnt zu sein pflegt, waren für seine Studien besonders fruchtbar. Mit seinem Collegen, dem Philologen Hemsterhuis und dem berühmten Präses des höchsten Gerichts in Haag, C. Bynckershoek, knüpfte er freundschaftliche Beziehungen. Indeß der Tod seiner Frau, die er schon nach siebenjähriger Ehe verlor, sowie die nachtheiligen Einflüsse des Klima’s auf seine Gesundheit machten ihn zur Rückkehr nach Deutschland geneigt. Er übernahm im Herbst 1727 die Professuren der Pandekten und der Philosophie zu Frankfurt a. O. Gegen seinen Wunsch ward er 1733 nach Halle versetzt, zur Begünstigung dieser Universität. Er wirkte hier bis zu seinem Tode, der ihn nach kurzer Krankheit am 31. August 1741 ereilte. Er hinterließ zwei Söhne, von denen der jüngere, Friedrich Anton, [362] sich dem Militärdienst widmete, während der ältere, Joh. Christ. Gottlieb (geb. 1718), den Spuren des Vaters folgte; er starb 1791 als kgl. preuß. Hofrath und Professor der Rechte an der Ritterakademie zu Liegnitz. Wir besitzen von ihm eine ausführliche Biographie seines Vaters, welche zuerst als Anhang zum achten Bande der „Opera omnia“ desselben (Genev. 1748. 4°), erschien. Außerdem hat er sich durch seine Dissertation „Ad edictum aedilitium florum sparsio“. 1738. 4°, durch Herausgabe mehrerer einzelner Schriften seines Vaters und dessen „Opera omnia in IX tomos distributa“, Genev. 1771, 4° bekannt gemacht.

H. ist unter den deutschen Juristen des 18. Jahrhunderts vielleicht der bedeutendste, jedenfalls derjenige, welcher den umfassendsten Reichthum gelehrten, namentlich historischen Wissens mit gediegener philosophischer Bildung verband. Er hat durch seine zahlreichen größeren Werke bestimmend bis in unser Jahrhundert hinein eingewirkt. So ist sein Lehrbuch der Institutionen: „Elementa jur. civ. secundum ordinem Institutionum commoda auditoribus methodo adornata“ (Amsterd. 1725, 8.), welches er selbst 1741 in fünfter Auflage herausgab, der gebräuchlichste Leitfaden geworden. J. G. Estor legte es seinen Vorlesungen zu Grunde und gab es schon 1727 mit Anmerkungen heraus; später ward es von J. L. Uhl, C. Ch. Woltaer, Ch. G. Biener, Geßner, Höpfner mit neuen Anmerkungen edirt; Andere, wie Knorre, Zeiller, publicirten dazu Observationen und Vorlesungen. Endlich erschien in deutscher Sprache Höpfner’s theoretisch-praktischer Commentar über die Heineccius’schen Institutionen, 1783, dessen achte von A. D. Weber revidirte und ergänzte Ausgabe (1818, 4.) noch 1833 wieder abgedruckt wurde. – Aehnliche Geltung erwarb sich sein „Antiquitatum Romanarum jurisprudentiam illustrantium Syntagma“ (Hal. 1719, 8). Die sechste Auflage Basil. 1742, 8., ist noch von ihm selbst vorbereitet; nach seinem Tode sind bis zum Ende des Jahrhunderts unter verschiedenen Händen 13 Ausgaben erschienen; dann hat 1822 kein Geringerer als C. G. Haubold das Werk einer neuen Bearbeitung unterzogen, bei der er den neu entdeckten Gaius berücksichtigen konnte; und schließlich hat Ch. Fr. Mühlenbruch 1841 einer neuen Edition seine Anmerkungen hinzugefügt. Außer diesen beiden Compendien des Römischen Rechts hat H. ein drittes unter dem Titel „Elementa juris civilis secundum ordinem Pandectarum“ herausgegeben, welches zuerst 1727 erschien und noch 1796 wieder gedruckt wurde. Dazu kommen zahlreiche historische Untersuchungen über einzelne classische Juristen, ein Commentar zur L. Julia et Papia Poppaea (1716), die auch heute noch ihren Werth behaupten. Aber auch auf das deutsche Recht hat H. seine wissenschaftliche Arbeit erstreckt. Aus einer im Sommer 1733 bei dem Antritte seines Lehramts in Halle rasch entworfenen Vorlesung ging die „Historia juris civilis Romani ac Germanici“ (Hal. 1733, 8.) hervor, die 1740 in neuer erweiterter Bearbeitung erschien und 1765 von Ritter und Silberrad mit Zusätzen vermehrt herausgegeben wurde. Dazu kamen 1735 und 1736 die zwei Bände der „Elementa juris Germanici tum veteris tum hodierni“, ein nach der Institutionen-Ordnung disponirtes Lehrbuch des deutschen Rechts, in welchem H. mit großer Entschiedenheit (gegen die damals von hervorragenden Autoritäten wie S. v. Cocceji vertretene Richtung) die ausgedehnte Geltung des deutschen Rechts und die Unanwendbarkeit des römischen in vielen Stücken vertheidigt, und die Unbefangenheit des Urtheils, den offenen Sinn für die vaterländischen Rechtsanschauungen, welche er sich in seinen romanistischen Studien bewahrt hatte, documentirt. Was den Werken Heineccius’ ihren Einfluß sicherte, war die mit der gründlichsten Gelehrsamkeit verbundene Zweckmäßigkeit seiner systematischen Methode, sowie die klare und geschmackvolle Darstellung. Die von ihm in seinen Compendien und Vorlesungen angewendete Methode wird zum Unterschiede von der neben ihm von dem Philosophen [363] Chr. Wolf aufgebrachten „demonstrativen“, die „axiomatische“ genannt. Während jene jeden auch den simpelsten und selbstverständlichen Fundamentalsatz durch Syllogismen feststellen und jeden Folgesatz in syllogistischer Form beweisen zu müssen glaubt, wodurch sie in die geschmackloseste Breite geräth, nimmt H. im positiven Rechte für jede Lehre gewisse sie beherrschende Principien als gegeben, stellt diese an die Spitze und entwickelt aus denselben theils analytisch, theils deducirend die ganze Lehre als ein natürlich zusammenhängendes Ganze. Indeß hat sich H. seine Geltung nicht ohne Kämpfe erworben. An seine „Elementa“ knüpfte sich 1729 eine litterarische Fehde über die Methode, die bis zum J. 1735 zwischen seinen Gegnern und Anhängern ohne seine persönliche Betheiligung geführt wurde (vgl. Nettelbladt, Hallische Beiträge, I. 562). Auch seine historische Richtung erfuhr Anfechtung von Seiten derer, welche die praktische Einschulung der Juristen für das allein Ersprießliche, die Kenntniß der Antiquitäten und die gesammte elegante Jurisprudenz für unnützes gelehrtes Spiel hielten. Gegen diese erklärte sich H. mit großer Entschiedenheit in dem Programm De Salvio Juliano, mit welchem er 1733 seine Professur in Halle übernahm. Indeß hat er in dieser Richtung keine bedeutenden Nachfolger gefunden. Erst die historische Schule hat sie neu belebt und sowol auf dem Gebiete des deutschen, wie des römischen Rechts Heineccius’ Leistungen in den Hintergrund treten lassen. Auch Heineccius’ Systematik ist veraltet, seitdem die neuere Wissenschaft sich von den Fesseln des justinianischen Schematismus befreit hat, durch welchen noch H. sich gebunden hielt.

Vgl. außer der schon angeführten Biographie seines Sohnes in den Opera omnia und vor J. G. Heineccii Recitationes in Elementa, 1765. 1789. 8. Allerneueste Nachrichten von jurist. Büchern, Bd. II. S. 673 ff. Hymmen, Beiträge, 5, 226 ff. Darin genaue Verzeichnisse seiner Schriften.