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Artikel „Hamberger, Georg Erhard“ von August Hirsch in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 10 (1879), S. 470–471, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Hamberger,_Georg_Erhard&oldid=- (Version vom 18. April 2024, 23:50 Uhr UTC)
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Hamberger: Georg Erhard H., Arzt, ist den 21. December 1697 in Jena geboren. Sein Vater, Geo. Albert H., welcher an der dortigen Universität den Lehrstuhl der Professur für Mathematik und Physik bekleidete, war frühzeitig bemüht, das Interesse des geistig begabten Knaben für diese wissenschaftlichen Zweige wachzurufen, und mit solchem Erfolge, daß derselbe, wie es heißt, schon in sehr jugendlichem Alter seine weit älteren Mitschüler in der Mathematik zu unterrichten vermochte und den Vater durch die Gewandtheit, welche er dabei entwickelte, in das höchste Erstaunen versetzte. – Bereits im J. 1714 war H. so weit vorgebildet, um die Universität beziehen zu können, wo er sich auf ausdrücklichen Wunsch seines Vaters dem Studium der Mathematik und Physik widmete. So lebhaft ihn diese Wissenschaften auch interessirten, so zog ihn seine Neigung doch vorzugsweise zum Studium der Medicin hin; daher besuchte er heimlich die anatomischen Vorlesungen von Slevogt, machte sich mit Hülfe des Universitätsgärtners mit den Anfangsgründen der Botanik bekannt und wandte sich nach dem Tode des Vaters der Medicin zu. – Am meisten fesselte ihn das Studium der Anatomie und er erlangte in diesem Gegenstande bald eine solche Gewandtheit, daß Slevogt ihm die Anfertigung der für Demonstrationen bestimmten Präparate übertrug; im Studium der praktischen Heilkunde schloß er sich namentlich an Wedel an, dessen Tochter er später heirathete. – Im J. 1717 wurde H. zum Magister philosophiae und 1721 zum Doctor der Medicin creirt. – Der Ruf seiner Gelehrsamkeit und praktischen Tüchtigkeit verschaffte ihm 1724 die Ernennung zum Landphysicus des Kreises Weimar und 1726 die Wahl zum Prof. extraord. der Mathematik und Physik in Jena. Im J. 1729 wurde ihm die Verwaltung des Landphysicates des Jenaischen Kreises übertragen und, nachdem er mehrere an ihn ergangene Berufungen, als Lehrer der Mathematik an das Gymnasium in Stettin, als Professor der Mathematik und Physik nach Altdorf und als Professor der Medicin und der mathematischen Wissenschaften nach Göttingen, ausgeschlagen hatte, wurde er zum Hofrath und Prof. ord. der Physik in Jena ernannt. Im J. 1742 wurde ihm die Ehre zu Theil, zu der durch den Tod Hoffmann’s erledigten Professur der Medicin nach Halle berufen zu werden, aber auch diesen Ruf lehnte er ab, und in Folge dessen wurde er 1744 Prof. ord. der Botanik, Anatomie und Chirurgie und 1748, nach dem Tode seines Schwiegervaters Wedel, Rector der Universität und Professor der Chemie und der praktischen Medicin; in dieser Stellung ist er bis zu seinem am 22. Juli 1755 erfolgten Tode verblieben. – H. zählt zu denjenigen Männern der Wissenschaft, deren Ruhm in den Schwächen ihrer Zeit wurzelt. Die intensive Beschäftigung mit den mathematischen Wissenschaften hatte ihm offenbar den Weg vorgezeichnet, den er in der Medicin eingeschlagen, und auf dem er sich in vollkommener Uebereinstimmung mit der eben damals [471] vorherrschenden Richtung der Jatro-Phsiker befunden hat; wenige unter den Anhängern dieser Schule aber lassen in ihren Forschungen eine solche Befangenheit in theoretischen Voraussetzungen, eine so weit gehende Verleugnung aller gegen die Theorie sprechenden Thatsachen und gleichzeitig eine solche Hartnäckigkeit in dem Beharren auf ihren Trugschlüssen – selbst gegen die bessere Ueberzeugung – erkennen, als H.; mit seinen wissenschaftlichen Arbeiten hat er sich zwar auf allen Gebieten der Medicin bewegt (ein Verzeichniß seiner überaus zahlreichen litterarischen Producte findet sich in Commentarii l. c. und bei Blasche), seine Hauptthätigkeit aber hat er der Physiologie zugewendet und gerade durch diese Leistungen hat er seinen ephemeren Ruf begründet. – Von der Ansicht ausgehend, daß sämmtliche Lebensvorgänge sich auf einfache physikalische Gesetze zurückführen lassen und mathematisch analysirt werden können, hat er ein mechanisches System der Biologie entwickelt, das durch die vortreffliche Disposition des Stoffes, Klarheit und Kürze des Ausdruckes und durch die Sicherheit der Argumentation zu bestechen und zu fesseln vermochte, das jedoch, als eine vollständig aprioristische Construction, nicht einen neuen und richtig begründeten und ausgeführten Gedanken bietet und in dem krassen Widerspruche, in welchem sich H. mit seinen Theorien zu den bedeutendsten Physiologen seiner Zeit, wie namentlich Haller, befand, den Stempel der Irrthümer und Täuschungen an der Stirne trägt. Es konnte nicht ausbleiben, daß seine Lehre vielfache Angriffe erfuhr, am lebhaftesten in Bezug auf diejenigen Punkte, in welchen sie im Widerspruche mit den Arbeiten Haller’s stand, und so entwickelte sich eine Polemik, an welcher Haller selbst sich betheiligte, die, bei der Heftigkeit, mit welcher H. seine Ansichten vertheidigte, zu einem europäischen Skandal ausartete und die schließlich damit endete, daß H. auf seinem Todtenbette erklärte, er müsse Haller Recht geben, nur aus Furcht, den eignen Ruhm zu schmälern, habe er diese seine bessere Ueberzeugung bis dahin verleugnet – ein Umstand, der wenig dazu geeignet ist, die Verherrlichung zu rechtfertigen, welche seine, übrigens sehr unbedeutenden Anhänger ihm auch noch über das Grab haben angedeihen lassen; mit Hamberger’s Tode ist auch sein Stern erloschen.

Ueber sein Leben vergl. Hadelich in Act. Acad. Moguntinae, 1757, I. p. 26, und Blasche, Leben des Herrn Hofrath G. E. H. etc., Jena 1758. Ein kurzer Auszug aus dieser Biographie findet sich in Commentarii de rebus in scientia naturali et medicina gestis, 1758, VII. p. 553.