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Artikel „Grynaeus, Simon“ von Conrad Bursian in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 10 (1879), S. 72–73, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Gryn%C3%A4us,_Simon&oldid=- (Version vom 19. April 2024, 12:03 Uhr UTC)
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Grynaeus: Simon G. (Gryner), Humanist und Theolog, wurde im J. 1493 zu Veringen in der damaligen Grafschaft Zollern als Sohn unbemittelter Landleute geboren. Im Alter von etwa 14 Jahren kam er auf die Stadtschule zu Pforzheim, wo Nicolaus Gerbel und Georg Simler seine Lehrer waren: einer seiner Mitschüler daselbst war Philipp Schwarzerd (Melanchthon). Seine weiteren Studien machte er an der Universität Wien, trat dort nach Erlangung der Magisterwürde als Docent der griechischen Sprache auf und übernahm nach einiger Zeit das Rectorat einer Schule in Buda-Pest. Streitigkeiten mit den Mönchen, die ihn der Ketzerei bezichtigten, brachten ihn dort ins Gefängniß: durch den Einfluß einiger ihm günstig gesinnten Magnaten befreit, verließ er Ungarn und ging zunächst, durch Luther und Melanchthon angezogen, nach Wittenberg. Von seinen weiteren Schicksalen ist nichts bekannt bis zum J. 1524, wo er als Professor der griechischen Sprache an die Universität Heidelberg berufen wurde. Seine dortige Stellung war weder in ökonomischer Hinsicht befriedigend, noch in collegialischer Beziehung erfreulich, da die Mehrzahl der Heidelberger Professoren damals noch den reformatorischen Ansichten, zu denen G. sich offen bekannte und wegen deren er im J. 1529 bei einem Besuche in Speyer während des dortigen Reichstags Gefahr lief ins Gefängniß geworfen zu werden, feindlich gegenüber stand. G. folgte daher einem im Mai 1529 an ihn ergangenen Rufe als Professor der griechischen Sprache an die Universität Basel. Da bei seiner Ankunft die durch die Einführung der Reformation nothwendig gewordene Reorganisation der Universität noch nicht vollendet war, so benutzte er seine Muße zu litterarischen Arbeiten, unternahm auch im J. 1531 eine dreimonatliche Reise nach England; nach seiner Rückkehr widmete er sich mit Eifer und Erfolg der akademischen Thätigkeit und übernahm neben seiner Professur der griechischen Sprache noch eine außerordentliche Professur der Theologie. Im J. 1534 erhielt er vom Herzog Ulrich von Würtemberg, der nach langer Verbannung sein Land wiedergewonnen hatte, den ehrenvollen Auftrag, in Gemeinschaft mit Ambrosius Blarer von Constanz die Universität Tübingen im Geiste der kirchlichen Reform zu reorganisiren. Nach Vollzug dieses Auftrags kehrte er gegen Ende des J. 1535 nach Basel zurück, wo er an den Arbeiten für Befestigung und Ausbreitung der Reformation sich eifrigst betheiligte – er verfaßte in Gemeinschaft mit Bullinger, Myconius, Leo Judä und Megander im Januar 1536 die sogenannte erste helvetische Confession –; auch seine Lehrthätigkeit erhielt nun einen überwiegend theologischen Charakter, da er [73] 1536 die theologische Professur des Neuen Testaments, welche bis dahin der durch seine geistlichen Amtsgeschäfte allzu sehr in Anspruch genommene Antistes O. Myconius bekleidet hatte, übernahm. Im October 1540 wurde er vom Rathe der Stadt Basel zur Theilnahme an dem Religionsgespräche zu Worms abgeordnet und nach seiner Rückkehr zum Rector der Universität gewählt; während der Verwaltung dieses Amtes starb er am 1. August 1541 an der Pest. – G. war ein durch und durch rechtschaffener und reiner Charakter, voll aufrichtiger Frömmigkeit, ebenso bescheiden als gelehrt. Als Schriftsteller hat er sich hauptsächlich durch zahlreiche von ihm corrigirte und mit Vorreden versehene Ausgaben und lateinische Uebersetzungen griechischer Schriftsteller, wie des Aristoteles (mit Des. Erasmus, 1531), des Platon (lateinisch 1532, griechisch 1534), der Elemente des Eukleides mit den Commentaren des Theon und Proklos (1533), des Almagest des Claudius Ptolemaeos mit dem Commentar des Theon (1538) und des Abrisses der Astronomie von Proklos Diadochos (1540), ferner der Vitae parallelae des Plutarch (1531), der Komödien des Aristophanes (1532), des Onomastikon des Julius Pollux (1536), der sogen. Hippiatrika (1537) und Geoponika (1539) verdient gemacht. Die Kenntniß der römischen Litteratur hat er durch einen glücklichen Fund bereichert: im J. 1527 entdeckte er im Kloster Lorsch eine (jetzt in der Wiener Bibliothek befindliche) sehr alte Handschrift des Livius, welche die bis dahin unbekannten Bücher 41–45 enthielt, und veröffentlichte diese darnach in der von Erasmus mit einer Vorrede versehenen ersten Froben’schen Ausgabe des Livius (Basel 1531). Auch hat er ein griechisch-lateinisches Lexikon (1539) und ein seiner Zeit hochgeschätztes geographisches Werk („Novus orbis regionum et insularum veteribus incognitarum una cum tabula cosmographica et aliquot aliis consimilis argumenti libellis“, 1532) verfaßt.

Vgl. G. Th. Streuber, Simonis Grynaei clarissimi quondam academiae Basiliensis theologi ac philologi epistolae. Accedit index auctorum eiusdem Grynaei opera et studio editorum. Basel 1847. M. Haupt im Index lectionum univ. Berol. 1856–57, p. 6 ff. Basler Taschenbuch auf das J. 1853, herausgeg. von Dr. W. Th. Streuber, S. 1–43. Heppe in der Allgem. Encykl. der Wiss. u. K., Sect. I, Bd. 95, S. 375 ff.