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Artikel „Albrecht, Daniel Ludwig“ von Ernst Müsebeck in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 55 (1910), S. 427–431, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Albrecht,_Daniel_Ludwig&oldid=- (Version vom 28. März 2024, 17:18 Uhr UTC)
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Albrecht *): Daniel Ludwig A., geboren am 7. Juni 1765 zu Berlin, erhielt seine erste Ausbildung durch Privatunterricht und kam 1779 als Alumnus auf das Joachimsthal’sche Gymnasium, nachdem sein Vater als Bauinspector nach Königs-Wusterhausen versetzt war. 1784 bezog er die Universität Halle und studirte dort drei Jahre lang die Rechte. Seine Dienstlaufbahn begann mit einer Auscultatorstelle bei dem Stadtgerichte zu Berlin am 1. September 1787. Den Wünschen und Ansichten seines Vaters nachgebend, war A. bereits entschlossen, nach bestandener zweiter Prüfung sich um die Stellung eines Unterrichters zu bewerben und auf die große juristische Laufbahn zu verzichten, als die ungewöhnliche Auszeichnung, die einer von ihm verfaßten Relation in einem Criminalprocesse zu Theil wurde, die Ansichten des Vaters umstimmte und dieser nun selbst in den Sohn drang, der höheren Laufbahn nicht zu entsagen. So wurde er 1793 nach bestandener dritter Prüfung als Hofgerichtsrath in Bromberg angestellt, 1794 in commissarischen Geschäften nach Thorn gesandt, und 1797 zum Rath bei dem Justizcollegium zu Thorn, nach damaliger Bezeichnung „Regierung“, ernannt. Diese Thorner Jahre vermittelten die Bekanntschaft mit dem späteren Kanzler von Preußen, Karl Wilhelm v. Schrötter, der seit 1794 den Posten eines Chefpräsidenten der westpreußischen Regierung zu Marienwerder bekleidete. Schon 1798 erfolgte Albrecht’s Abberufung als Kammergerichtsrath nach Berlin; er trat hier in besonders nahe Beziehungen zu Beyme, unter dessen [428] Leitung er sich in den neuen Dienst einarbeitete. Während der Verhandlungen über die neue Criminalordnung, deren Entwurf der König am 12. Mai 1803 gemehmigt hatte und die am 18. März 1806 veröffentlicht wurde, lag es ihm ob, neben dem Geh. Oberjustizrath Schröner dem Großkanzler Goldbeck Vortrag über den Verlauf der Commissionssitzungen zu halten; und diese seine Thätigkeit war wohl der Anlaß, daß er 1804 als vortragender Rath in das Justizministerium berufen wurde. So gelangte A. 1807 nach Königsberg und wurde nach Auflösung der alten Behörden Mitglied der Friedensvollziehungscommission, die die dem Königreiche verbliebenen Provinzen nach dem Frieden von Tilsit in die neue Ordnung der Dinge hinüberleitete. Die Beziehungen zu dem am 14. November 1806 ernannten interimistischen Justizminister Freiherrn v. Schroetter erneuerten sich, da A. in der ihm unterstellten Immediatcommission die Criminalsachen besorgte. Noch im J. 1808 begannen seine Dienste in dem am 1. Juni neu begründeten Cabinet. Den Vertrag der Rechtssachen hatte zunächst der Geheime Finanzrath Sack; nach dessen Abreise brachte Stein (Conc. eigenhändig) am 9. November A. zur interimistischen Verwaltung dieses Geschäftes in Vorschlag, „einen unterrichteten, verständigen, bescheidenen Mann“. Die Eingabe erhielt schon am 11. November die königliche Genehmigung mit dem Bemerken, daß die Vorträge Mittwochs und Sonnabends stattfinden sollten. Diese Arbeit blieb auch in seinen Händen, als am 28. Juni 1809 seine Ernennung zum zweiten Geh. Oberjustizrath im Justizministerium mit einer Besoldung von 2500 Rthlrn. unter rückwirkender Kraft vom 1. April an erfolgte. Der Großkanzler Beyme stellte ihm in seinem Immediatberichte ein glänzendes Zeugniß aus: seine bisher in allen Stellungen bewährte Geschicklichkeit, Gründlichkeit und unermüdliche Thätigkeit würden in ihm dem Könige einen der besten Diener, dem Minister einen sehr nützlichen Gehülfen sichern. Allein zu einer solchen helfenden Arbeit im Justizministerium kam es nicht; A. wurde von diesen Geschäften bald ganz dispensirt und ausschließlich im Civilcabinet des Königs verwandt, dessen Leitung er nach der Verordnung vom 27. October über die veränderte Verfassung aller obersten Staatsbehörden in der preußischen Monarchie am 13. December 1810 definitiv übernahm; er ist der erste Chef des Geheimen Civilcabinets des Königs in modernem Sinne. Das Vertrauen Friedrich Wilhelm’s III. hatte ihn in diese Stellung berufen, und er hat sie bis wenige Monate vor seinem Tode, am 27. Mai 1835 behalten, ohne je das Vertrauen seines Herrn einzubüßen.

Der Geschäftsgang wurde folgendermaßen festgestellt: Alle an den König eingehenden Sachen sollten im Cabinet geöffnet werden; der König bestimmte, was er selbst sogleich entscheiden wollte; das übrige wurde in Militär- oder in Hof- und Civilsachen eingetheilt, von denen der Staatskanzler die zuletzt genannten sämmtlich erhielt; er wählte aus, was er selbst dem Könige vorzutragen wünschte, und überwies den Rest theils den Ministern und Departements, theils dem Geh. Cabinetsrath zur Bearbeitung. So kann man die Thätigkeit Albrecht’s dahin bestimmen, daß er alle Civilangelegenheiten vortrug, soweit sie nicht der Staatskanzler selbst übernahm oder sie von ihm den Ministern zugewiesen wurden, daß er den geschäftlichen Verkehr zwischen dem Könige und dem Staatskanzler aufrecht erhielt und zwischen beiden vermittelte, daß er schließlich vom Könige zu vertrauten Berichten über bestimmte Sachen aufgefordert wurde. Seine erste Aufgabe war es, den Dienstbetrieb und die Vertheilung der Geschäfte neu zu regeln. An höherem Personal stand ihm nur der Expedient Kriegsrath Dunker zur Seite, der zugleich in den Geschäften der Gesetzgebungs-Section, der Gesetz- und Ober-Examinationscommission [429] verwandt wurde, an niederem Personal ein Kanzleidirector, ein Registrator, ein Geheimer Secretär und ein Kanzleidiener. Der Standort wechselte je nach dem Aufenthalte des Hoflagers, wofür alle Beamten fixirte Diäten außer ihrem eigentlichen Gehalte bezogen.

Es ist unmöglich, die vielseitige Thätigkeit des Chefs des Civilcabinets im ganzen Umfange zu verfolgen; es mögen einzelne Punkte hervorgehoben werden, die für die Stellung Albrecht’s zu den politischen Fragen der nächsten Jahre von Interesse sind. Bis Ende October 1811 hatte Hardenberg in seinen Anträgen immer die Bedenken eines Bündnisses mit Rußland hervorgehoben; sein Memoire vom 2. November stellte die von Frankreich drohende Gefahr in den Vordergrund, daß es das befreundete Land zertrümmern werde, und daß es sein Bestreben sei, Preußen im Zustand der Schwäche zu erhalten. Bei dieser Sachlage forderte der König seinen Geheimen Cabinetsrath zu einem Gutachten auf, das bei allem Schwanken doch den Grundsatz aufzustellen wagte, ein minderwerthiger Staat müsse sich im Kampfe zwischen zwei großen Mächten an die mächtigste, in diesem Falle also an Frankreich anschließen, um so mehr, als die Erfahrung gelehrt habe, daß Rußland ohne Noth die gemeinschaftliche Sache verlassen könne. A. erkannte in dem Feldzuge selbst das Bedenkliche der Lage der Verbündeten sehr bald; schon am 6. September 1812 schrieb er dem Staatskanzler von Teplitz aus, wo der König im Bade weilte, „daß die Lage der Verbündeten, der großen Fortschritte ohnerachtet, nicht die beste sey, und daß Napoleon einen irgends convenablen Frieden gern, noch vor Winters, schließen wird.“ Trotzdem konnte er sich im December, als die Frage an Preußen herantrat, ob es sich von Frankreich absondern solle, nicht zu einem unbedingten Ja entschließen. Seine Denkschrift vom 17. December 1812 machte den Entschluß ganz von der Stellungnahme Oesterreichs abhängig, und neben Ancillon trat er mit allem Eifer dafür ein, zunächst eine enge Verbindung mit dem Kaiserstaate zu suchen. Das Vertrauen des Königs zu seinem Cabinetschef befestigte sich namentlich während der Kriegsjahre 1813/15; es sind zahlreiche Hinweise in den Acten vorhanden, wo er Mißhelligkeiten zwischen Friedrich Wilhelm III. und seinem Staatskanzler beilegte, schwierige Personalangelegenheiten regelte, ohne daß sie den gewöhnlichen Geschäftsgang durchliefen. So nimmt es kein Wunder, daß der König ihn sofort in den am 30. März 1817 begründeten Staatsrath berief und ihn wiederholt in schwierigen Angelegenheiten um sein Gutachten anging. Bei der Frage, ob es rathsam für Preußen sei, auch die mit dem Reiche früher staatsrechtlich nicht verbundenen Provinzen Schlesien mit Glatz und die beiden Lausitzen dem Bunde einzuverleiben, entschied sich A. am 13. März 1818 dahin, daß dies zuerst aus militärischen Gründen zu wünschen wäre, dann aber auch, weil es nützlich sei, in Hinsicht auf den vorwiegenden Einfluß Oesterreichs bei der Bundesversammlung mit nicht geringeren Kräften als dieses im Bunde vertreten zu sein; Anschauungen, zu denen sich die übrigen Mitglieder der beiden Abtheilungen des Staatsrathes für die auswärtigen Verhältnisse und für das Kriegswesen mit Ausnahme des Kriegsministers Boyen bekannten, der dem Anschlusse aus militärischen Gründen widersprach.

In der Verfassungsfrage stand A. zunächst ganz auf Hardenberg’s Seite; um so bemerkenswerther für seine durchaus unabhängige Stellung, als ihn seine Geschäfte oft mit dem Fürsten Wittgenstein zusammenführten. Als er dem Staatskanzler am 22. März 1818 die Cabinetsordres gegen Görres, die rheinländische Verwaltung zu Coblenz sowie die Unterzeichner der Coblenzer Adresse übersandte, setzte er ihm die Gesichtspunkte auseinander, von denen der König bei ihrer Behandlung ausgegangen war: er fürchtete, daß die Regierung [430] allmählich durch Massenpetitionen gezwungen werden sollte, dem Lande eine Verfassung zu geben, und daß im Weigerungsfalle das Volk sie sich „erobern“ werde. A. billigte diese Erwägungen[WS 1] durchaus, aber er setzte hinzu: „Das Unrecht würde auf die Seite der Regierung übergehen, die so zu ihren Unterthanen spricht, wenn sie nicht, sobald als es sein kann, Schritte zu dem verheißenen Ziele thäte, aus welchen ersichtlich wird, daß sie es ernstlich meine und nicht durch eine Hinterthür entschlüpfen wolle. – Wenn aus der Zeiten Hintergrund nicht neue große Ereignisse vortreten, die das Geschäft unterbrechen, ehe es ganz vollendet ist, so würde es, meines unterthänigen Ermessens, eine Furchtsamkeit auf Seiten der Regierung verrathen, wenn sie nicht festen Schritts den von ihr selbst aufgesteckten Zielen entgegengehen wollte. Wolken am Horizont dürfen sie nicht erschrecken; bricht ein Ungewitter los, so muß das erst vorüber; nur bei sturmloser Zeit kann ein neu gepflanzter Baum gedeihen.“ Gewiß war A. ein „hochconservativer Beamter“ (Treitschke II, 487), aber sein conservativer Sinn duldete es nicht, einmal gegebene Zusagen zu brechen, von einem Wege ohne Noth abzuweichen, den die Regierung vor wenigen Jahren als richtig erkannt hatte. Wie weit die Metternich’schen Einflüsterungen von der revolutionären Gefahr der demagogischen Umtriebe für die preußischen Beamten und das preußische Heer während des Aachener Congresses sein Ohr gewonnen haben, und in welcher Richtung er seitdem auf den König gewirkt hat, läßt sich nicht feststellen. Seine Zugehörigkeit zu der polizeilichen Immediat-Untersuchungs-Commission, die am 6. December 1819 unter dem Vorsitz von Hardenberg begründet wurde, ist für seine innere Stellungnahme zur weiteren Behandlung der Verfassungsfrage doch nicht entscheidend. Gewiß waren für ihn die Ereignisse der letzten Monate Zeichen eines Ungewitters, das sich erst verziehen müsse; aber an einen vollkommenen Verzicht auf die Verfassung, an einen engen Anschluß an die Wittgenstein-Kamptz’sche Partei hat er kaum gedacht. Man darf wohl sagen, daß A. in der Verfassungsfrage bis zum Tode Hardenberg’s den Ideen des Staatskanzlers gefolgt ist; das Verhältniß zu ihm blieb stets gut.

Nach Hardenberg’s Tode erfolgte insofern im Dienste eine Aenderung, als das Civilcabinet in zwei Abtheilungen gesondert wurde; in der ersten trug ein Minister – zunächst Graf Lottum – die staatlichen Sachen, in der zweiten A. die Cabinetsangelegenheiten im engeren Sinne vor. Neben Wittgenstein und Witzleben pflegte jedoch der König auch fernerhin oft in allgemeinen Staatsangelegenheiten und in den wichtigeren Fragen der auswärtigen Politik den Rath seines Geheimen Cabinetsrathes einzuholen, den nie der Ehrgeiz nach einer führenden Rolle beseelte. Seine Absicht, im J. 1830 aus dem Dienste auszuscheiden, wurde von seinem Herrn zurückgewiesen; seit Anfang des Jahres 1834 unterstützte ihn sein Nachfolger Karl Christian Müller in den laufenden Geschäften. Auf die Nachricht von dem Tode Albrecht’s schrieb der König dem Sohne des Verstorbenen am 29. Mai 1835: „Durch den Tod Ihres Vaters, den Sie Mir melden, ist eine langjährige Geschäftsverbindung zwischen Mir und ihm getrennt worden. Die unermüdliche Thätigkeit in der Erfüllung seines Berufes, seine unerschütterliche Rechtlichkeit und seine Anhänglichkeit an Meine Person hatten Mir ihn theuer und werth gemacht, und indem Ich Ihnen über den Verlust eines so wackern Vaters Mein herzliches Beileid bezeige, kann Ich es Mir nicht versagen, Ihnen zugleich Meinen eigenen Schmerz darüber zu erkennen zu geben.“

Neuer Nekrolog der Deutschen. Dreizehnter Jahrgang 1835, Erster Theil, Weimar 1837, S. 514–517. – H. Hüffer, Die Kabinetsregierung [431] in Preußen und Johann Wilhelm Lombard. Leipzig 1891. – L. v. Ranke, Denkwürdigkeiten des Staatskanzlers Fürsten Hardenberg, Bd. 4.- Adolf Stölzel, Brandenburg-Preußens Rechtsverwaltung und Rechtsverfassung, Bd. II. Berlin 1888. – Dazu Acten des Geheimen Staatsarchivs zu Berlin Rep. 74 H kl Nr. 46; Rep. 89 A 44, 6; Rep. 92 Albrecht 20; Rep. 92 Hardenberg F 20, H 15½ K 32; Rep. 92 Friedrich Wilhelm III. von Preußen B VI 31.

[427] *) Zu Bd. XLV, S. 742.


Anmerkungen (Wikisource)

  1. Vorlage: Erwägungungen